Markus Brotschi und Markus Häfliger berichten im Tages-Anzeiger ausführlich über die Auseinandersetzung um das Rentenalter im Bundesrat.

Am Ende wird das Volk über die Initiative entscheiden. Doch der Bundesrat muss vorgängig Stellung beziehen. Dafür hätte er noch Zeit bis Juli 2022, doch Sozialminister Berset versucht, die Debatte abzuwürgen, bevor sie überhaupt begonnen hat. Schon Mitte Oktober beantragte er im Bundesrat eine ablehnende Stellungnahme zur Initiative.

Doch Berset lief gegen eine Wand. Alle vier Bundesratsmitglieder von SVP und FDP opponierten mit schriftlichen Mitberichten, wie die CH-Media-Zeitungen zuerst berichteten. Der Widerstand war so gross, dass Berset seinen Antrag noch vor der Sitzung zurückzog. Seither wartet man in den anderen Departementen auf seinen zweiten Anlauf.

Dabei wird es für den Sozialminister sehr eng werden: Laut zuverlässigen Quellen ist der Support für ein höheres Rentenalter im Bundesrat gross.

Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) und Finanzminister Ueli Maurer (SVP) beantragten in ihren Mitberichten kurzerhand die Annahme der jungfreisinnigen Initiative. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) verlangte vor dem Entscheid noch weitere Abklärungen. Doch auch er bezeichnete ein höheres AHV-Alter in seinem Mitbericht laut zuverlässigen Quellen als unumgänglich.

Damit dürfte Karin Keller-Sutter (FDP) das Zünglein an der Waage spielen. Bundesratsnahe Personen glauben, dass sie von den vier Bürgerlichen am ehesten bereit sein könnte, von einer formellen Ja-Parole zur Renteninitiative abzusehen. Oder dass sie Berset zumindest Hand bietet zu einem Kompromiss – in Form eines Gegenvorschlags.

Doch allzu grosse Hoffnungen kann sich Berset auch bei Keller-Sutter nicht machen: Zwar verzichtete die Justizministerin auf einen eigenen Antrag; wie Parmelin verlangte sie zuerst noch weitere Entscheidgrundlagen. Doch gleichzeitig bezeichnete Keller-Sutter die Initiative in ihrem Mitbericht explizit als unterstützungswürdig.

Berset muss damit rechnen, dass die Bürgerlichen Sympathien für die Initiative der Jungfreisinnigen haben. Darum versuchte er, sie mit einem taktischen Kniff von einem Nein zu überzeugen: Gleichzeitig mit dieser Initiative empfahl Berset ihnen auch die Renteninitiative der Gewerkschaften zur Ablehnung. Letztere will die AHV nicht sanieren, sondern mit einer 13. AHV-Rente ausbauen.

Damit schlug Berset implizit einen Kuhhandel vor: Opfersymmetrie zwischen rechts und links; der Bundesrat lehnt nicht nur die Rentenaltererhöhung ab, sondern auch den AHV-Ausbau. Doch die Bürgerlichen scheinen nicht bereit zu sein, auf diesen Deal einzutreten.

Für Sozialdemokrat Berset wäre es die politische Höchststrafe, wenn unter seiner Ägide das Rentenalter erhöht würde. Seit seinem Amtsantritt vor bald zehn Jahren versucht er, die Altersvorsorge möglichst nach SP-Vorstellungen zu reformieren: Wenn die Bürgerlichen schon auf Frauenrentenalter 65 pochen, sollen die Frauen einen sozialen Rentenausgleich erhalten.

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