imageDie NZZ hat mit Bundespräsident Berset ein Interview zu diversen aktuellen Fragen geführt. Dabei kam auch die AHV-Revision zur Sprache.

Sie planen für die AHV eine happige Mehrwertsteuererhöhung um bis zu 2 Prozent. Die politischen Reaktionen waren vernichtend.
Wir müssen unangenehme Tatsachen akzeptieren. Wenn wir das Rentenniveau halten und die AHV stabilisieren wollen, brauchen wir dringend eine namhafte Zusatzfinanzierung. Die Frage ist nur, wie diese erfolgt. Wenn in den nächsten zwölf Jahren nichts geschieht, kumuliert sich das negative Umlageergebnis bis 2033 auf 72 Milliarden. Wir benötigen bis zu diesem Zeitpunkt sogar Mehreinnahmen von 84 Milliarden, wenn der AHV-Ausgleichsfonds weiterhin mindestens 100 Prozent der Jahresausgaben decken soll, wie es das Gesetz verlangt.

Je länger der Zeithorizont, desto teurer wird eine Reform. Warum streben Sie nicht eine schlanke Vorlage an, welche die AHV bis gegen 2028 sichert?
Bei der gescheiterten Rentenreform haben die Abstimmungssieger kritisiert, dass diese die Finanzen der AHV nur bis 2030 ins Lot gebracht hätte. Es wäre also unehrlich, nun eine Reform mit einem kürzeren Zeithorizont zu bringen.

Mit Verlaub: Die bürgerlichen Gegner haben nicht den Zeithorizont an sich kritisiert, sondern dass die Reform die AHV trotz massiven Mehreinnahmen nur bis 2030 gesichert hätte.
Es bringt nichts, jetzt nochmals die Debatte über die letzte Reform zu führen. Aber die Probleme der Altersvorsorge sind mit der Abstimmung vom September 2017 nicht vom Tisch. Heute haben wir 2,6 Millionen Rentner, im Jahr 2033 werden es bereits 3,9 Millionen sein. Deren Zahl steigt also um 50 Prozent. Mit den Babyboomern gehen bis 2033 geburtenstarke Jahrgänge in Pension. Das bedeutet einen namhaften Finanzbedarf. Wir haben zu lange keine Reform zustande gebracht.

Sie wehren sich gegen eine generelle Rentenaltererhöhung, weil ältere Arbeitnehmer im Arbeitsmarkt angeblich benachteiligt sind. Nun ist die Erwerbsquote der über 55-jährigen Arbeitnehmer so hoch wie noch nie. Lässt sich Ihre Argumentation noch halten?
Ältere Arbeitnehmer sind nach wie vor benachteiligt. Zwar trifft es zu, dass diese künftig wegen der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels vermehrt gefragt sein werden. Eine starre Fixierung auf ein generell höheres Rentenalter ist aber der falsche Weg. Wenn wir die richtigen Anreize setzen, arbeiten mehr Leute freiwillig länger. Ziel muss sein, dass das effektive Pensionsalter steigt.

Aber was bringt die Flexibilisierung des Rentenalters der AHV, wenn das Rentenalter bei 65 Jahren bleibt?
Die Flexibilisierung soll den individuellen Bedürfnissen der Leute Rechnung tragen und einen längeren Verbleib im Erwerbsleben ermöglichen, etwa durch eine Teilrente. Dies bringt auch zusätzliche Einnahmen. Wer nach 65 arbeitet, wird zumindest auf einem Teil seines Lohnes AHV-Beiträge bezahlen.