imageHat die Vollversicherung noch eine Chance? Die Nachfrage ist vorhanden, aber das Angebot knapp und selektiv und laut Finma deutlich geringer als die Nachfrage. Notstand also bei den KMU?  Werner Enz und Hansueli Schöchli gehen in der NZZ der Frage nach.

Der Gewerbeverband ortet derzeit keinen Notstand für KMU. Es gebe noch private Anbieter und der Markt spiele noch, sagt der Verbandsvertreter Kurt Gfeller (Bild). Den Entscheid der Axa bezeichnet er als bedauerlich, aber verständlich.

Von allfälligen KMU-Klagen über einen Mangel an Angeboten im BVG-Geschäft hört der Gewerbeverband laut Gfeller «relativ wenig». Dies heisse aber nicht, dass es kein Problem gebe. Als Indiz für ein Problem wertet er den Zulauf bei der BVG-Auffangeinrichtung.

Marktteilnehmer und Berater betonen, dass viele KMU im Prinzip gerne eine Vollversicherung möchten, weil sie dann keine Anlagerisiken hätten und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren könnten. «Eine Vollversicherung ist im Prinzip sensationell», sagt André Egli, Vorsorgespezialist der Beratungsfirma Balmer-Etienne. Die Frage sei aber, wie lange das Modell noch aufrechterhalten werden könne: «Die Versicherer versuchen seit einiger Zeit, die Kunden in teilautonome Lösungen zu drängen.» (…)

Diverse Fachleute betonen allerdings, dass es auf den Einzelfall ankomme. «Wir gehen davon aus, dass weiterhin Vollversicherungslösungen nachgefragt und auch offeriert werden, einfach selektiver», sagt Stefan Leuenberger, Leiter berufliche Vorsorge bei der Beratungsfirma Kessler in Zürich. Massgebend sind laut Beratern besonders die Risikofähigkeit und der Risikowille der KMU. Bestandteil davon ist auch die Versichertenstruktur; hat ein Betrieb viele Angestellte über 50, mag die Stabilität schwerer wiegen als die Hoffnung auf langfristig höhere Renditen. Brechen die Aktienmärkte kurzfristig ein, können sich in teilautonomen Lösungen KMU und ihre Mitarbeiter mit dem Bedarf für Sanierungsbeiträge konfrontiert sehen.

Die verbliebenen Anbieter von Vollversicherungen deuten ihre Zurückhaltung bei der Aufnahme neuer Kunden an. Alle müssen zurzeit auf die Pflege der Altbestände achten, weil laufend Substanz aufgezehrt wird. Mit Blick auf die Einschränkungen in der Anlagestrategie wegen harter Kapitalvorschriften ist es zurzeit bereits schwierig bis fast unmöglich, den Werterhalt von Prämiengeldern zu garantieren. Ein Anbieter schätzt, dass mit Kapitalvorschriften auf EU-Niveau statt auf dem höheren Schweizer Niveau Zusatzerträge von durchschnittlich 500 bis 1000 Fr. pro Versicherten und Jahr zu erwarten wären.

  NZZ