Nachdem die Banken sich nach dem Negativzins-Entscheid vom 15. Januar zuerst abwartend verhalten haben, überwälzen sie nun die Belastung (und mehr) zusehends auf die Kunden, insbesondere Versicherungen und Pensionskassen. Charlotte Jacquemart schreibt in der NZZ am Sonntag: Der Anlagechef der Mobiliar, Sven Rump, erklärt gegenüber der "NZZ am Sonntag": "Wir sind zum ersten Mal vor rund sechs Wochen mit der Nachricht konfrontiert worden, dass wir 3% Strafzinsen bezahlen müssen." Natürlich habe man das Geld so schnell wie möglich abgezogen beziehungsweise versucht, kurzfristig woanders anzulegen.

Auf  der  Pressestelle  der  UBS  verteidigt  man  die  prohibitive  Negativverzinsung  als Vorsichtsmassnahme, die nicht flächendeckend gelte. Zudem nennt es die UBS Guthabengebühr. Sprecherin Karin Aquilino umschreibt das so: "Die ausserordentlichen Marktbedingungen in Kombination mit verschärften regulatorischen Vorschriften in Bezug auf die Liquiditätshaltungspflicht von Banken haben uns veranlasst, eine individuelle Guthabengebühr für grosse Kontobestände von Firmen und institutionellen Kunden einzuführen." Grund für die rekordverdächtigen minus 3% ist demnach nicht nur das Negativzinsen-Regime der SNB, sondern auch die sogenannte Mindestliquiditätsquote im Rahmen der Bankenregulierung Basel III. (…)

Der Anlagechef der Mobiliar weiss um die verschärften Eigenkapitalanforderungen für Banken. Rump sagt:  "Geld  ist  nicht  mehr  gleich  Geld.  Bestimmte  Kundengelder  sind  für  Banken  nicht  mehr interessant. Das gilt vor allem für sogenannt nichtoperatives Kapital von Pensionskassen und Versicherungen, das im Krisenfall schnell abgezogen werden kann." Weil Banken solches Kapital kaum mehr bewirtschaften können, versucht man, sich das Geld vom Leibe zu halten. "Die Leidtragenden sind die Versicherten, welche die Rechnung letztlich begleichen", sagt Rump. Er ortet zudem noch eine zusätzliche Verzerrung: Weil die Privaten an den meisten Orten noch keine Strafzinsen aufgebrummt bekämen, finde auch eine Quersubventionierung von Privatanlegern durch Pensionskassen und Versicherungen statt. (…)

Die UBS ist allerdings nicht die einzige Bank, welche die Schraube anzieht. Auch die Credit Suisse (CS) habe aufgrund der derzeitigen Entwicklung bei institutionellen Kunden und grossen Firmenkunden eine Guthabenkommission eingeführt, sagt CS-Sprecherin Daniela Häsler auf Anfrage. "Die Kunden werden diesbezüglich individuell informiert." Über die Höhe der Kommission schweigt sich die CS allerdings aus. Die Zürcher Kantonalbank bleibt vorerst bei den minus 0,75% – verweist aber ebenfalls auf die neuen Liquiditätsregeln, die nichtoperative Gelder von Grosskunden unattraktiv machen würden. Die Bankiervereinigung hatte unlängst in einem Positionspapier ebenfalls vor genau diesem Effekt gewarnt.

Zur Kasse gebeten werden nicht nur Versicherungen, sondern auch Pensionskassen. Und dies in zunehmendem Masse, erzählen Chefs von grossen Kassen. Zum Beispiel Stefan Beiner, bei Publica verantwortlich für die Anlage von rund 40 Mrd. Fr. Beiner sagt: "Wir beobachten grundsätzlich, dass bei den meisten Instituten die Negativzinsen noch negativer werden und/oder aber die Freigrenzen gesenkt werden." Beiner hält es für stossend, wenn Banken mehr als die übliche Marge von 0,25% auf den negativen Satz der SNB schlagen. Gemessen daran wäre -1% das Ende der Fahnenstange. (…)

Auch Thomas Schönbächler, der die Zürcher Pensionskasse BVK führt, spricht von härter werdenden Verhandlungen mit Banken über die Höhe der negativen Verzinsungen. "Das aktive Cash-Management ist in allen Kassen sehr wichtig und auch schwierig geworden", so der BVK-Chef. Kein Hehl aus seinem Missmut macht Hanspeter Konrad, Direktor des Pensionskassenverbandes Asip. Er hat Kenntnis von den neuen, hohen, Belastungen und hält sie für nicht korrekt. Konrad sagt: "In der Tat ist das der reinste Skandal, denn Banken die so handeln, bedienen sich schamlos auf dem Buckel der Pensionskassen und ihrer Versicherten." Die Pensionskassen würden zwar Alternativen prüfen. Aber Konrad meint: "Es darf nicht sein, dass Banken auf Kosten der Pensionskassen noch ein Geschäft mit der überhöhten Weitergabe der negativen Zinsen machen."

  NZZ am Sonntag