Der Bundesrat hat den Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Initiative gegen die Abzockerei (Minder-Initiative) in die Vernehmlassung gegeben. Diese dauert bis 15. März nächsten Jahres. Damit soll der in der Verfassung geforderte sofortige Erlass der Verordnung (VegüV) jetzt nachträglich auch die gesetzliche Grundlage erhalten. Bei der geplanten Revision des Aktienrechts haben Bundesrat und Verwaltung mit der grossen Kelle angerührt und einen über 70seitigen Vorentwurf ausgebrütet.

Von der Revision betroffen sind auch die Vorsorgeeinrichtungen, nachdem schon für die VegüV der Bundesrat eine sehr extensive Auslegung des Initiativtextes vorgenommen hat. Im Gesetzesentwurf ist zu den Kassen folgendes vorgesehen:

Art. 49 Abs. 2 Ziff. 21
2 Gewährt eine Vorsorgeeinrichtung mehr als die Mindestleistungen, so gelten für
die weitergehende Vorsorge nur die Vorschriften über:
21. die Vermögensverwaltung (Art. 71 BVG) und die Ausübung der
Aktionärsrechte (Art. 71a und 71b BVG);
Art. 53g Abs. 1
1 Zur gemeinsamen Anlage und Verwaltung von Vorsorgegeldern können Stiftungen
nach den Artikeln 80 ff. des Zivilgesetzbuches30 gegründet werden.
Art. 65a Abs. 3
3 Die Vorsorgeeinrichtungen müssen in der Lage sein, Informationen über den
Kapitalertrag, den versicherungstechnischen Risikoverlauf, die Verwaltungskosten,
die Deckungskapitalberechnung, die Reservebildung, den Deckungsgrad und die
Grundsätze zur Ausübung der Stimmpflicht als Aktionär (Art. 71a BVG) abgeben
zu können.
Art. 71a Stimmpflicht als Aktionär
1 Vorsorgeeinrichtungen müssen bei Aktiengesellschaften nach den Artikeln 620 ff.
des Obligationenrechts31 (OR), deren Aktien an einer Börse kotiert sind, das
Stimmrecht der von ihnen gehaltenen Aktien zu angekündigten Anträgen ausüben.
Sie müssen es überdies bei von ihnen nicht selber gehaltenen Aktien dann ausüben, wenn ihnen vertraglich die Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung eingeräumt ist
oder sie die Aktionärin kontrollieren.
2 Sie müssen im Interesse ihrer Versicherten abstimmen. Das Interesse der
Versicherten gilt als gewahrt, wenn das Stimmverhalten dem dauernden Gedeihen
der Vorsorgeeinrichtung dient.
3 Das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung muss in einem Reglement die
Grundsätze festlegen, die das Interesse der Versicherten bei der Ausübung des
Stimmrechts konkretisieren.
Art. 71b Berichterstattung und Offenlegung betreffend Stimmpflicht
1 Vorsorgeeinrichtungen müssen mindestens einmal jährlich in einem
zusammenfassenden Bericht ihren Versicherten gegenüber Rechenschaft darüber
ablegen, wie sie ihrer Stimmpflicht nachgekommen sind.
2 Folgen die Vorsorgeeinrichtungen den Anträgen des Verwaltungsrats nicht oder
enthalten sie sich der Stimme, so müssen sie ihr Stimmverhalten im Bericht
detailliert offenlegen.

Im erläuternden Bericht wird ausgeführt:

Bestimmungen zu den Vorsorgeeinrichtungen
Der Vorentwurf überführt die Artikel 22, 23 und 25 VegüV auf die formellgesetzliche
Stufe. Die Regeln der VegüV zu den Stimm- und Offenlegungspflichten der Vorsorgeeinrichtungen, die dem Freizügigkeitsgesetz124 unterstellt sind, werden
ins Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge (BVG)125 überführt (s. insbesondere Art. 71a f. und Art. 76
Abs. 1 Bst. h VE BVG).

Der in Artikel 95 Absatz 3 Ziffer 1 BV verwendete Begriff der «Pensionskassen»
entspricht dem sozialversicherungsrechtlichen Begriff der «Vorsorgeeinrichtungen».
Auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Stimm- und Offenlegungspflicht
auf den AHV-Fonds, den IV-Fonds, den EO-Fonds oder die Anlagestiftungen wird
verzichtet, da diese unmittelbar keine Versicherten haben. Da die Stimmpflicht
gemäss Artikel 95 Absatz 3 Buchstabe a BV im Interesse der Versicherten ausgeübt
werden muss, ist nur dort eine Stimmpflicht vorgesehen, wo sich die Interessen der
Versicherten direkt bestimmen lassen. Bei den Anlagestiftungen stehen zudem die
daran beteiligten Vorsorgeeinrichtungen meistens in keinem Verhältnis zueinander,
sondern sind eine heterogene Gruppe, die durch den Anlagezweck faktisch verbunden
sind.

  Botschaft / Erläuterungen / Begleitschreiben