In einem Interview mit der Handelszeitung zeigt Johannes Binswanger, Mitglied des Forschungsnetzwerks Netspar, auf, was die Schweiz bei der 2. Säule von Holland lernen könnte. Auszüge:

Holländische Pensionskassen sind zu fast 100 Prozent ausfinanziert. Ist das im derzeit unsicheren Umfeld ein Vorteil?
Binswanger: Das hat durchaus seine Vorzüge, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Holland seine Probleme hat. Die Leute bringen ihrer Pensionskasse immerhin bedeutend mehr Vertrauen entgegen; das Thema «Rentenklau» gab es in Holland nicht. Die Finanzmarktkrise ist aber dieselbe, und es besteht wie in der Schweiz ein erheblicher Reformbedarf.

Was kann die Schweiz vom holländischen Vorsorgesystem lernen?
In der Schweiz gibt es bei der Wahl des technischen Zinssatzes einen grossen Spielraum, und wenn die Kassen unterschiedliche Sätze anwenden, lassen sich die Deckungsgrade nicht mehr vergleichen. Zudem sind eigentlich die technischen Zinssätze in der Schweiz viel zu hoch; in Holland wird seit der Finanzkrise mit risikofreien Zinssätzen gearbeitet, die unter den Kassen auch vergleichbar sind. Das macht das holländische System wesentlich transparenter.

Das Pensionierungsalter wurde in Holland um ein Jahr erhöht. Wäre das auch eine Lösung für die Schweiz? 
Es ist nicht die vollständige Lösung des Problems, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. In der Schweiz müsste man das Rentenalter um drei Jahre erhöhen, damit der aktuell gültige gesetzliche Umwandlungssatz gerechtfertigt wäre.

Werden die Probleme in Holland beseitigt, wenn das Pensionierungsalter künftig automatisch der steigenden Lebenserwartung angepasst wird? 
Das ist noch nicht endgültig beschlossen. Aber wir hoffen, dass es so kommt. Es liegt in der niederländischen Kultur, mit fairen Regeln zu spielen. Das Rentenalter würde dann nicht mehr von einer Instanz, sondern durch eine Formel bestimmt. Solche objektiven Messgrössen wären auch für die Schweiz sinnvoll.