Die NZZ malt ein düsteres Bild der deutschen Altersvorsorge. Ohne drakonische Massnahmen – die nicht zu erwarten sind – ist das System auf die Länge nicht finanzierbar. Die «Welt» haut in die selbe Kerbe und lobt das Schweizer 3-Säulen-System. Die Frage scheint nicht mehr zu sein ob, sondern nur noch wann das System kollabiert. Die NZZ schreibt:
[Der] Ökonom Bernd Raffelhüschen ist überzeugt: «Dies ist die letzte Bundesregierung, die unser Rentensystem noch retten kann.» Werde in den kommenden vier Jahren nichts getan, würden die politischen Hebel ihre Wirkung verlieren.
Ab Mitte der 2030er Jahre, so der Freiburger Wissenschafter, seien Massnahmen wie eine Anhebung des Rentenalters kaum mehr wirksam. Dann bleibe nur noch ein Reagieren von Jahr zu Jahr – ein Flickenteppich aus Notmassnahmen und Kürzungen.
Schon heute finanziert Deutschland seine Rente zumindest teilweise auf Kredit. Der Staat verschuldet sich immer stärker, um laufende Ausgaben zu decken. «Das funktioniert, solange Deutschland Vertrauen auf den Finanzmärkten geniesst», sagt Raffelhüschen.
Doch sollte dieses Vertrauen schwinden, drohen harte Sparmassnahmen oder eine Geldpolitik, die die Inflation anheizt. Am Ende, so der Ökonom, «zahlen die Bürger die Zeche».
Werding ergänzt, dass die Beitragssätze in der Rentenversicherung in den kommenden Jahren unweigerlich steigen werden – von derzeit knapp 19 Prozent auf 20 Prozent bis 2028, weil die Rücklagen der Rentenkasse erschöpft sind.
Hinzu kommt: Auch in den anderen Sozialkassen, der Kranken- und der Pflegekasse, klaffen riesige Finanzlücken. «Wir sprechen also von einer Zukunft, in der für jeden verdienten Euro 50 Cent in die Sozialkassen wandern werden. Bis 2080 könnten es sogar knapp 60 Cent werden.»
Ein Szenario, das nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht, glaubt Raffelhüschen. «Wenn die Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Steuern und Abgaben abgeben müssen, gerät der Generationenvertrag ins Wanken», mahnt er. Besonders die junge Generation könnte sich vom System abwenden.
Die Welt doppelt nach:
Zwei Zahlen zeigen, in welch dramatische Schieflage der Generationenvertrag derzeit gerät: 2023 haben rund 1,8 Millionen Babyboomer vor Erreichen der Altersgrenze Rente bezogen. Das ist laut Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) fast jeder Zweite aus dieser Altersgruppe. Noch extremer ist der Wert im Öffentlichen Dienst. Rund 80 Prozent der Beschäftigten gehen vorzeitig in den Ruhestand. (…)
Dazu tragen staatliche Fehlanreize bei, aber auch Frühverrentungs-Programme vieler Unternehmen. Aktuell kommen noch 2,1 Beitragszahler auf einen Rentner. Wenn die Babyboomer nicht mehr arbeiten, könnten es 2035 nur noch 1,7 sein.
Nicht nur das Verhältnis von Beitragszahlern zu Empfängern läuft in die falsche Richtung. Auch die Steuer-Milliarden, die für Pensionen und Hinterbliebenenversorgung (63,4 Milliarden Euro im Jahr 2023) sowie Zuschüsse an die Rentenkasse (112,4 Milliarden Euro im Jahr 2023) fließen, erreichen schwindelerregende Höhen.
Das entsprach in Summe schon damals 38 Prozent der gesamten Haushaltsausgaben, in der Zwischenzeit dürfte der Anteil weiter gestiegen sein.
NZZ / Welt