Die SonntagsZeitung hat mit Vera Kupper Staub, Präsidentin der OAK, ein Interview zur Finanzierungssituation der Pensionskassen und zur Tätigkeit der Behörde geführt. Auszüge:
Hätten die Kassen angesichts der guten Anlageergebnisse nicht grosszügiger sein dürfen?
Nein. Mit dem Aufbau von Wertschwankungsreserven erhöhen die Pensionskassen ihre Stabilität und schaffen so langfristige Sicherheit für die Versicherten. Wie kann der Bevölkerung die wichtige Rolle der Anlagerendite als dritter Beitragszahler neben Arbeitgeber und Arbeitnehmer erklärt werden?
Hier besteht ein Handlungsbedarf. Wir müssen den Versicherten immer wieder aufzeigen, dass im Kapitaldeckungsverfahren der 2. Säule der Ertrag auf dem angesparten Vermögen zentral ist und einen substanziellen Beitrag dazu leistet, wie hoch später ihre Rente sein wird.
Allerdings gibt es bei den Renditen der verschiedenen Pensionskassen grosse Unterschiede. Versicherte, die bei einer Kasse mit mehrjähriger schwacher Anlagerendite sind, haben das Nachsehen. Warum sind solche Kassen für die Aufsicht kein Thema?
Es stimmt, dass bei den Anlageergebnissen grosse Differenzen bestehen. Nun sind aber nicht alle Pensionskassen gleich risikofähig. Entsprechend verfolgen sie je nach Risikoprofil unterschiedliche Anlagestrategien. Grundsätzlich gilt: Ein höherer Aktienanteil bringt langfristig bessere Renditen, aber auch höhere Risiken.
Was der richtige Ertrag-Risiko-Mix für die einzelne Pensionskasse ist, muss deren oberstes Organ entscheiden. Die Aufsicht greift nur ein, wenn das oberste Organ seinen Ermessensspielraum überschreitet oder missbraucht.
Laut einer Studie von Swisscanto und ZKB schöpfen viele Kassen ihre Risikofähigkeit zu wenig aus, was für die Versicherten zu tieferer Rendite – und letztendlich tieferen Leistungen – führt.
Ich finde es schwierig zu beurteilen, welche Kassen ihre Risikofähigkeit richtig ausschöpfen und welche nicht. Letztlich geht es darum, wie die Sanierungsfähigkeit der Kasse eingeschätzt wird und wie viel Sanierungsrisiko getragen werden soll. Diese nicht einfache Entscheidung liegt in der Verantwortung des obersten Organs der Kasse.
Die Anlagerendite ist nicht einfach nur Glückssache. Pensionskassen haben Einfluss auf ihre Rendite und Leistungen. Bräuchte es bei den Pensionskassen nicht mehr Anreize, um das Optimum aus dem 3. Beitragszahler – der Anlagerendite der PKs – zugunsten der Versicherten herauszuholen?
Diese Anreize im obersten Organ entstehen durch die paritätische Vertretung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Funktioniert dieses Organ gut, werden diese Anreize wirksam und die Kasse hat den Anspruch, gute Renditen zu erzielen.
Die Anlagestrategie muss intensiv im obersten Organ diskutiert werden, da sie darüber entscheidet, welche Leistungen die Kasse zugunsten der Versicherten erbringen kann und wie hoch das eingegangene Sanierungsrisiko sein soll. Im internationalen Vergleich weisen unsere Kassen deutlich höhere Aktienanteile auf als Pensionskassen etwa in Dänemark, Deutschland oder Frankreich.
Der Gewerkschaftsbund behauptet, dass in der 2. Säule die Interessen der Versicherten nicht konsequent genug geschützt würden und sich Firmen wie Banken und Versicherungen auf Kosten der Versicherten bereichern würden.
Im Jahr 2024 umfasste das Vorsorgevermögen der 2. Säule mehr als 1100 Milliarden Franken. Die Dienstleister, die in der 2. Säule tätig sind, sollen für ihre Leistungen marktgerecht entlohnt werden, aber nicht mehr.
Dies ist rechtlich so vorgegeben. Die Entscheidungsgremien der Pensionskassen sind dafür verantwortlich, nur jene Dienstleistungen zu beschaffen, die tatsächlich benötigt werden, und das zu fairen Preisen. In der Regel tun sie dies. Daher sind die Kosten in 2. Säule auch deutlich tiefer als in der 3. Säule. Die 2. Säule ist definitiv kein Selbstbedienungsladen.
Die OAK BV ist die oberste Aufsichtsbehörde in der 2. Säule. Wo sehen Sie als Behörde Handlungsbedarf?
Die 2. Säule in der Schweiz funktioniert gut. Bei unserer Hauptaufgabe, der Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis, sind wir noch nicht am gewünschten Ziel. Zudem haben wir bei der Beaufsichtigung von Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen weiteren Handlungsbedarf.
Inwiefern?
Bei Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen treten teilweise Interessenskonflikte mit ihren Betreibergesellschaften auf, insbesondere wenn diese gewinnorientiert sind. Um ihre Gewinne zu steigern, verfolgen diese meistens eine Wachstumsstrategie, die oft nicht im Interesse der Versicherten ist. Wachstum verwässert die Reserven und reduziert damit die Stabilität.
TA
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