Gelegentlich, nicht sehr oft, publiziert die OAK eine Mitteilung. Im laufenden Jahr waren es bisher zwei. In der Regel Stoff für Spezialisten, ein no-event auf einem Nebenschauplatz der 2. Säule. Diesmal war es anders. Die Mitteilung mit der Bezeichnung M 02/2023 «Leistungsverbesserung bei Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen nach Art. 46 BVV2» löste harsche Reaktionen aus. Und ganz ungewöhnlich: die Fachverbände (ASIP, inter-pension, Kammer der PK-Experten) waren sich mit dem linken PK-Netz für einmal einig: So nicht. 

Der BVV2-Artikel hat zum Zweck, SGE mit nicht vollständig geäufneten Wertschwankungsreserven (unter 75 %) daran zu hindern, Leistungsverbesserungen vorzunehmen, statt beispielsweise die Reserven zu verstärken. Was «Leistungsverbesserungen» sind, wurde jetzt von der OAK mit der Mitteilung neu definiert. Sie betrifft die Festlegung des technischen Zinses. «Zu eng, fachlich mangelhaft, unnötig» das inhaltlich übereinstimmende Verdikt von links und rechts.

Auslöser für die neue Festlegung ist die Zinswende. Nach alter Fassung der Definition wäre die Obergrenze für den technischen Zins der betroffenen SGE nach Angabe der OAK aktuell auf 3,6 Prozent hochgeschnellt, womit nach ihrer Einschätzung die BVV2-Vorschrift ausgehebelt wäre. Also hat man sich etwas Neues ausgedacht; anscheinend nichts Praxisgerechtes, wenn man der Meinung der Fachverbände folgt.

Bei der OAK hat man die eingegangenen Kommentare resp. Reklamationen zur Kenntnis genommen, reagiert wurde darauf bisher nicht. Die OAK ist bei ihren Mitteilungen (wie auch beim Erlass der Weisungen) ungebunden. Usanz ist, dass zu Weisungen Anhörungen durchgeführt werden, nicht aber zu Mitteilungen, deren juristisches Konstrukt nicht ganz durchschaubar ist. Der Begriff «Mitteilung» ist auch irreführend. Sie gelten als «Präzisierung» anderer Vorschriften, enthalten aber neue Elemente und sind gleichfalls verbindlich. Ihre Einhaltung ist durch die Direktaufsicht zu prüfen, die bei einer Verletzung einschreiten muss.

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Inter-pension will der OAK-Mitteilung offenbar nicht Folge leisten. Der Verband der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen empfiehlt seinen Mitgliedern kurzerhand, M 2/23 zu ignorieren. Nach ihrer Meinung fehlt der Kommission dazu die Kompetenz, zudem sei das Abstellen auf einen Durchschnitt zur Festlegung der Obergrenze des Zinses nicht sachgerecht. Und moniert wird auch, dass keine Anhörung stattgefunden hat. Eine bemerkenswerte Reaktion: Der Aufruf zur Missachtung einer behördlichen Anordnung grenzt in unserem politisch temperierten Land an Revolte.

Die PK-Experten sind der Meinung, die Änderung sei überflüssig, man hätte bei der früheren Vorschrift gemäss Mitteilung 1/21 bleiben können.

Das PK-Netz argumentiert, dass die mit der Mitteilung erlassenen Vorschriften zu weit gingen und weder sachlich noch fachlich gerechtfertigt seien. Die Verzinsungsmöglichkeiten würden drastisch eingeschränkt.

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Zu vermuten ist, dass Jorge Serra, der die Stellungnahme des PK-Netz unterzeichnet hat, weniger an die im Wettbewerb stehenden SGE gedacht hat als vielmehr an die öffentlich-rechtlichen Kassen, die häufig als Sammelstiftungen konstruiert sind und als deren vielfacher Stiftungsrat er amtet – und um deren Freiheit bei der Leistungsgestaltung er fürchtet. Dazu sind ein paar Daten von Interesse. 

Der Deckungsgrad der SGE öffentlicher Arbeitgeber (Bund, Kantone, Gemeinden) sank per Ende 2022 gemäss Swisscanto vermögensgewichtet auf durchschnittlich 99 Prozent und lag damit deutlich unter jenem der SGE privater Arbeitgeber mit 106 Prozent. Entsprechend wurden im Jahr 2022 die Wertschwankungsreserven massiv reduziert, womit bei den meisten Einrichtungen Art. 46 wirksam wurde.

Laut Swisscanto verfügten Ende 2022 noch ganze 4 Prozent der öffentlichen SGE über mehr als 75 Prozent ihrer Ziel-Wertschwankungsreserven, bei den privaten waren es immerhin 15 Prozent. Das erklärt teilweise auch die Aufregung um die OAK-Mitteilung.

Gleichzeitig wiesen die privaten SGE durchschnittliche technische Zinsen von 1,68 Prozent auf, jene der öffentlichen Arbeitgeber trotz tieferer Reserven von 1,75. Die öffentlichen SGE agieren also weniger vorsichtig als die privaten, die im Konkurrenzkampf stehen und angeblich vor zu grosser Risikobereitschaft bewahrt werden sollen. Möglicherweise sind es aber die öffentlichen Kassen, welche – mit dem Steuerzahler im Hintergrund – sich auf der Leistungsseite (zu) grosse Freiheiten herausnehmen und zurückgebunden werden müssen. 

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Der 2012 in Kraft gesetzte Art. 46 BVV2 bildet eine jener gut gemeinten Vorschriften, die zwar plausibel erscheinen, aber schwer umzusetzen sind. Vorschläge, wie mit Art. 46 BVV2 besser umzugehen wäre, werden in den Schreiben an die OAK nicht gemacht.

Es wäre gescheiter gewesen, die OAK hätte angesichts der Bedeutung des Geschäfts bei den Fachverbänden und Sozialpartnern vorgängig eine Anhörung durchgeführt. Der Standpunkt, bei Weisungen machen wir eine Anhörung (auch wenn wir eigentlich nicht müssen), bei Mitteilungen lassen wir es bleiben und verordnen par ordre de Mufti, hat jetzt den Ärger bei den betroffenen Verbänden ausgelöst.

Die OAK wird sich wohl nochmals mit dem Geschäft beschäftigen müssen. Man wird mit Interesse verfolgen, wie sie auf die Kritik reagiert.

Im kommenden Jahr beginnt für die neunköpfige Kommission eine neue Amtsperiode und für das Sekretariat steht nach dem Rücktritt von Direktor Hüsler eine neue Direktorin bereit. Chance für einen Neuanfang mit verbesserter Kommunikation. 

Peter Wirth, E-Mail