Nichts zeigt eindrücklicher den Zustand der laufenden BVG-Revision als die Kakophonie der Reaktionen auf die Entscheide der SGK-N von vergangener Woche.

Gross ist das Wehklagen und die Entrüstung bei den Sozialpartnern, Arbeitgeberverband und Gewerkschaftsbund, dass die Kommission es gewagt hat, an ihrem Modell herumzuschrauben. Dabei hat die Kommission grosse Teile ihres Vorschlags übernommen.

So die Senkung des Umwandlungssatzes auf 6 Prozent, die Halbierung des Koordinationsabzugs, die neuen Beitragssätze und sogar ein Rentenzuschlag ist vorgesehen, wenn auch in stark modifizierter Form. Aber das angeblich so «feinaustarierte Finanzierungsmodell» mit nochmals verstärkter Umverteilung – der besondere Stolz seiner Schöpfer– verträgt offenbar auch nicht die geringste Änderung. Man muss schon sehr naiv – oder arrogant – sein, um in der Schweiz mit einem solchen Anspruch auf der politischen Bühne anzutreten.

Der Arbeitgeberverband prophezeit ein «jämmerliches Scheitern». Die Eingriffe seien politisch «halsbrecherisch», und die Kosten würden für die Arbeitgeber ins «Untragbare» steigen. Da werden Krokodilstränen vergossen, denn die Begeisterung für die Lösung ist verbandsintern schon etwas abgekühlt. Bei den Mitgliedern war sie von Anfang an höchst umstritten.

Ebenso dramatisch tönt es auf der Gegenseite. Allerdings versucht es der SGB mit sozialpolitischem Biedermeier. «Für Verkäuferinnen oder Krankenpflegerinnen ist der Revisionsvorschlag der Kommission fatal», heisst es. Wieso das? «Denn sie erhalten keinen Rentenzuschlag, müssen aber dennoch für die Rentenzuschläge der anderen, nur im BVG-Obligatorium Versicherten, zahlen». Die Ausübenden der beiden Berufe scheinen also zumindest nicht zum Kreis der minimal BVG-Versicherten zu gehören, wie übrigens 85 Prozent aller Arbeitnehmer. Da wird so schwach argumentiert, dass nicht einmal die linke Boulevardpresse darauf einsteigt.

Wer sind die Gewinner? Richtig geraten: Banken und Versicherungen, «the usual suspects». Sie haben sich angeblich «auf der ganzen Linie durchgesetzt». Auch das ein argumentativer Schnellschuss, der irgendwo in der Pampa unbewiesener Behauptungen und dunkler Verschwörungstheorien lautlos verpufft. Man kann in der Tat an dem Vorschlag allerhand kritisieren, aber mit dieser simpel gestrickten Empörungsmasche ist nun wirklich kein Blumentopf zu gewinnen.

Bemerkenswert pfleglich geht der ASIP mit dem Entscheid um. Der Pensionskassenverband will sogar «kleine Schritte in die richtige Richtung» erkennen. Das ist doch schon mal etwas. Allerdings gibt es da «rote Linien», jenseits welcher auch für ihn das NoGo-Land anfängt. Dass die SGK-Lösung jene PKs zur Kasse bittet, welche die «Hausaufgaben» gemacht und mit dem Geld jene subventioniert, die gelauert haben, will ihm nicht so recht gefallen. Von einem pädagogischen Standpunkt aus gesehen ist das nachvollziehbar. Auch politisch dürfte das Vorhaben schwer zu vermitteln sein. Entsprechend wird das Thema von den Sozialpartnern mit ihrem «austarierten Modell» konsequent ausgeblendet.

Auf der Medienseite hat sich die NZZ am intensivsten mit der SGK-Lösung – ausgestattet mit Zusatzinfos aus Kommissionskreisen – auseinandergesetzt. Wie sieht die Gewinner/Verlierer-Bilanz in ihrer Sicht aus? Hier erscheinen die Banken plötzlich auf der Verliererseite. «Banken sollen Beizer subventionieren» wurde getitelt. «Gewisse Banken, Informatikfirmen, Beratungsunternehmen und andere Betriebe mit mittlerem bis hohem Lohnniveau zahlen dem Bund eine Sondersteuer – und der Bund verwendet die Erträge zur Subventionierung von gewissen Beizern, Reinigungsfirmen und anderen Betrieben mit relativ tiefen Löhnen». Unsere Einschätzung: dieser Vorschlag – und mit ihn die bisherige Diskussion – hinterlässt eigentlich nur Verlierer. Ganz gleich ob Banker oder Beizer.

Es gehört zum Erfahrungsschatz unserer direkten Demokratie, dass jener Kompromiss die besten Chancen hat, der alle Beteiligten gleichermassen unglücklich macht. Allerdings geht es hier nicht um Glück oder Unglück von Parteien und Verbänden, sondern um die berufliche Vorsorge von Millionen Versicherten.

Man streitet um technische Details, will bestenfalls eine halbherzige Symptomkur der völlig verkorksten Umwandlungssatz-Situation und verschwendet nicht einen Moment auf Fragen der Zukunftssicherheit, der Effizienz oder gar der Bedürfnisse und Wünsche einer neuen Versichertengeneration. Die berufliche Vorsorge erstickt unter dem Gewicht der Politik.

Peter Wirth, E-Mail