imageIn einem Interview mit finews erklärt Dorothea Baur, selbständige Beraterin, ihre Ziele bei der Beratung von Pensionskassen in Sachen Nachhaltigkeit. Auszüge:

Wer nicht nachhaltig investiert, verletzt die Sorgfalt gegenüber den Versicherten?
Das wird ausserhalb der Schweiz zunehmend heftig diskutiert. Auch hierzulande gilt, dass die Kassen den Lebensstandard der Versicherten erhalten müssen. Da geht es in erster Linie um die monetäre Komponente. Aber in einer Welt, die vom Klimawandel zerstört ist, hat die monatliche Rente keinen grossen Wert mehr.

Das heisst?
Wer in Firmen investiert, die den Klimawandel befördern, setzt den Wert der Renten mutwillig herab. In Grossbritannien etwa müssen Pensionsfonds bereits aktiv begründen, warum sie nicht nach nachhaltigen Kriterien investieren.

Mit Blick auf die Nachhaltigkeits-Ziele der Uno arbeitet die EU inzwischen an einem Aktionsplan, der in diverse europäische Finanzrichtlinien einfliesst und nachdem sich die Schweizer Finanzbranche wohl oder übel wird richten müssen. Ist das in Kauf zu nehmen, um endlich klare Regeln im Umgang mit nachhaltigen Investments zu erhalten?
Es braucht dringend Standards. Wenn die EU diese festlegt, werden sich die Schweizer Pensionskassen kaum entziehen können. Ich persönlich finde es wichtig, dass die Vorsorgewerke selber Werte definieren und verinnerlichen – anstatt sich diese von aussen aufoktroyieren zu lassen.

Viel ist die Rede davon, dass der Schweizer Finanzplatz zu einem Hub für nachhaltige Investments aufsteigen könnte. Standort-Wettbewerb mit Nachhaltigkeit – wie passt das zusammen?
Von meiner akademischen Prägung her müsste die Antwort lauten: Mit Nachhaltigkeit und Ethik Geld machen, das ist verwerflich! Heute sehe ich das differenzierter.

Wie?
Wenn sich mit Ethik Geld machen lässt, ist das nicht automatisch verwerflich. Das wäre nur dann der Fall, wenn Nachhaltigkeit allein um eines finanziellen Vorteils willen propagiert würde. Wenn sich eine win-win-Situation zwischen Nachhaltigkeit und Standortvorteil erreichen lässt, würde ich das begrüssen.

Der Klimawandel ist ein Phänomen, das sich über Dekaden abspielt und kaum zu lenken ist. Ist es nicht blauäugig, daraufhin Investmentprozesse langfristig auszurichten?
Was ist denn die Alternative? In dreissig Jahren möchte ich in einer Welt leben, in der ich eine Rente von meiner Pensionskasse erhalte und nicht auf zwölf Quadratmetern wohnen muss, weil wegen Dürrekatastrophen Flüchtlingsströme unser Land überschwemmen…

…das ist ein Horrorszenario.
Was ich sagen will: Der Klimawandel ist jenes Phänomen, das derzeit unsere Lebensqualität am meisten bedroht. Dann muss dieses Phänomen doch eine Benchmark für Pensionskassen sein, um ihre Anlagepolitik danach auszurichten.

  finews / NZZ