Hansueli Schöchli, stets schwer zu täuschen wenn versucht wird, mit politischer Vernebelungstaktik schlichte Fakten zu ignorieren und dazu mit einem höchst eleganten Schreibstil und einer guten Portion Ironie gesegnet, hat sich mit Blick auf das Arbeitspapier von Aymo Brunetti in der NZZ zur Frage des Rentenalters geäussert. Auszüge:

Im Dossier Altersvorsorge hält die Bundespolitik seit langem einen Gottesdienst ab. Die zentrale Predigt: Du sollst das allgemeine Rentenalter nicht erhöhen. Was der Bund nicht zu sagen wagt, wagt nun der ehemalige Chefökonom des Bundes Aymo Brunetti. Er ist heute Wirtschaftsprofessor an der Universität Bern und sagt in einem neuen Papier das Ketzerische: Angesichts der ständig steigenden Lebenserwartung sei die Erhöhung des Rentenalters der «logische Ansatzpunkt».

Bei der Gründung der AHV 1948 hatten 65-Jährige eine zusätzliche Lebenserwartung von 12 bis 13 Jahren im Durchschnitt, heute sind es etwa 21 Jahre, und in drei Jahrzehnten werden es laut Bundesprognose etwa 25 Jahre sein. 1948 gab es über sechs Erwerbstätige pro Rentner. Heute sind es noch gut drei, und in drei Jahrzehnten werden es laut Bundesprognose noch etwa zwei sein. (…)

Als mögliches Modell zitiert Brunetti den Vorschlag eines deutschen Ökonomen, wonach das Verhältnis zwischen Lebensarbeitszeit und Lebensfreizeit bei etwa 2:1 bleiben solle; steigt die Lebenserwartung um ein Jahr, müsste das Rentenalter um acht Monate steigen. Doch so etwas ist in der Schweiz noch nicht mehrheitsfähig.

Und dies nicht wegen der Ausrede in Sachen Arbeitsmarkt, wie Brunetti betont: «Letztlich geht es wohl oft eher darum, in Zukunft mehr Freizeit zu geniessen und andere (Jüngere!) die finanziellen Konsequenzen tragen zu lassen.» Aber das will im Bundesberner Gottesdienst keiner hören.

  NZZ