Die Handelszeitung berichtet über das Dauerthema Immobilienmarkt und Negativzinsen.

Martin Neff, Chefökonom von Raiffeisen, sagt dazu: «Praktisch an jeder Veranstaltung werden wir darauf angesprochen, ab wann Sparguthaben mit Negativzinsen belastet werden.»

In einem solchen Umfeld müssen Liegenschaften dafür herhalten, dass sich kaum noch halbwegs sichere Anlagealternativen aufspüren lassen, die noch etwas Ertrag generieren. Selbst bei hohen Immobilienpreisen sieht die Rechnung bei Schweizer Mehrfamilienhäusern gar nicht schlecht aus: Schon mit einer kleinen Liegenschaft erwirtschaftet der Eigentümer ohne weiteres 50’000 oder 60’000 Franken Ertrag pro Jahr.

Nach den neusten Zahlen des Beratungsunternehmens Wüest Partner sind die Renditeerwartungen der Investoren weiter gefallen: In Zürich verzeichnen die Marktbeobachter Nettoanfangsrenditen von Mehrfamilienhäusern von 1,6 Prozent. Gemeint ist der Ertrag nach Abzug von Nebenkosten im Verhältnis zum Kaufpreis.

In anderen Städten und in anderen Regionen liegen die Nettorenditen höher. Wer also die Wahl hat zwischen Kontoguthaben, negativ verzinsten Obligationen und Immobilien, handelt rational: Ein Mehrfamilienhaus als Altersvorsorge verspricht regelmässige Einkünfte; auch die Option, später eine der Wohnungen selbst zu nutzen, wird oft ins Kalkül gezogen.

Zwar haben wir bereits über 70’000 leerstehende Mietwohnungen. Die Probleme erstrecken sich aber vor allem über periphere Regionen und betreffen die vielen Neubauten. Auch wenn man sich an solche Überlegungen zuerst noch gewöhnen muss: Die Mieterträge aus dem Investment werden bis auf weiteres kaum in den negativen Bereich abrutschen.

Die Banken standen letztlich vor der Wahl, entweder selbst die Kreditstandards zu verschärfen oder sich von den Behörden strengere Vorschriften bei der Eigenmittelanforderung aufs Auge drücken zu lassen. Nun war offenbar das zweite das kleinere Übel. Auf Anfang 2020 treten nun folgende neue Mindeststandards für Renditeliegenschaften in Kraft:

  • Die Belehnung darf höchstens 75 Prozent betragen (bisher waren bis zu 90 Prozent möglich).
  • Dabei gilt wie bisher das sogenannte Niederstwertprinzip, wonach eine mögliche Differenz zwischen höherem Kaufpreis und tieferem Belehnungswert mit Eigenmitteln zu finanzieren ist.
  • Die Hypothek muss innerhalb von zehn Jahren auf zwei Drittel des Belehnungswertes reduziert werden (bisher 15 Jahre).

Die andere Kategorie von Investoren – nämlich institutionelle Anleger wie Versicherungen, Pensionskassen, Fonds, Stiftungen und so weiter – dürften von diesen Mindeststandards praktisch unberührt bleiben. Denn diese Investoren, die eher im zweistelligen und dreistelligen Millionenbereich am Markt aktiv sind, wollen primär Kapitalanlagen tätigen – oft ohne oder nur mit einem geringen Anteil an Fremdkapital. Diese Investments entziehen sich daher praktisch einer Einflussmöglichkeit über die Regulierung im Finanzierungsbereich.

Martin Neff widerspricht aber der Darstellung, dass Schweizer Immobilien pauschal «überbewertet» seien und quasi alle Akteure einem «Stresstest» nicht standhalten würden (stark steigende Zinsen bei gleichzeitigen erheblichen Wertkorrekturen von Immobilien). «Die aktuell beobachteten hohen Preise für Immobilien müssen im Zusammenhang der Realwirtschaft und der Realzinsen betrachtet werden», sagt Neff.

So sei der Renditezuschlag von Mehrfamilienhäusern gegenüber dem Referenzzins einer Bundesobligation eben noch nie so hoch gewesen wie im aktuellen Umfeld. Letztlich sei es ja die SNB selbst, die mit der aktuellen Geldpolitik und negativen Leitzinsen «das hohe Preisniveau für Immobilieninvestments verursache».

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