Es gibt die bekannten Probleme, die bei jeder Gelegenheit ad nauseam behandelt werden, und es gibt die weniger akuten, die man gerne unter den Tisch kehrt oder gleich wieder vergisst, weil sie zumindest im Moment nicht weh tun. Oder weil man sie vielleicht auch gar nicht als solche erkennt.

An der Jahrestagung der Nordwestschweizer Aufsicht sprach Geschäftsführerin Christina Ruggli von einem Klumpenrisiko, das sich in der beruflichen Vorsorge abzeichne und das sie mit Sorge erfülle. Die Rede war von der anhaltenden Gewichtsverschiebung von den klassischen Firmen-Pensionskassen hin zu den Sammelstiftungen. Man könnte mit Fug und Recht auch von einem eigentlichen Pensionskassensterben sprechen. Vor 10 Jahren zählte man noch über 2500 Vorsorgeeinrichtungen, mittlerweile hat sich die Zahl auf rund 1500 reduziert. Ein bekannter, aber kaum je diskutierter Fakt.

Beim Apéro nach den Referaten wurde – in der Hand das obligate Glas Weisswein – der Faden weitergesponnen. Dass man unweigerlich und in nicht allzu ferner Zukunft bei 1000 Kassen landen werde, wurde von niemandem bezweifelt. Und weil die runde Zahl kaum eine technische Widerstandslinie darstellt, wird der Schrumpfungsprozess dort auch nicht zum Stillstand kommen. Wo wird sich die Situation stabilisieren? Wohl irgendwo zwischen 200 und 500, ging als Mehrheitsmeinung hervor.

Ein Fortschritt? Ein Zugewinn an Effizienz? Der international hochgelobte PK-Guru Keith Ambachtsheer empfiehlt der Schweiz die Reduktion auf zwei Dutzend PKs. Er verspricht damit im Vergleich mit seinen kanadischen Kassen eine deutliche Renditesteigerung. Seine Meinung in Ehren, aber so war die berufliche Vorsorge nicht gedacht. Das traditionelle Modell ging von der gemeinsam getragenen Verantwortung und dem beiderseitigen Engagement der Sozialpartner im Unternehmen und mit individuellen Lösungen aus. Auf dieser Basis wurden auch die heutigen guten Leistungen entwickelt.

Grosse, anonyme Gebilde wie sie später entstanden durch die Bildung der von der Assekuranz vorangetriebenen Kollektivversicherung und den autonomen Sammelstiftungen waren von den Vätern des BVG so nicht vorgesehen. Es entstand die geteilte Vorsorgewelt, deren Gewichte sich zunehmend in Richtung der Sammeleinrichtungen verschieben und wo heute schon mehr als die Hälfte der Destinatäre versichert ist.

Das hat unmittelbar Konsequenzen für die berufliche Vorsorge als Dienstleistungsbranche mit ihren gemäss BAK-Studie rund 3600 Vollzeitstellen. Ein Wachstumsmarkt ist da nicht auszumachen, wenngleich die ungebremste Zunahme der Komplexität unter dem Titel «Gerechtigkeit» anhält und sowohl Kosten wie personellen Aufwand hochtreibt. Die wirtschaftlichen Folgen könnten aber in diversen Berufszweigen noch Kopfschmerzen bereiten.

Was sich abzeichnet und was weit schwerer wiegt ist das Entstehen einer 2. Säule, mit einem deutlich verringerten Zusammenhang zwischen Arbeitgeberfirma und Vorsorgeeinrichtung. Die Hoffnung auf Arbeitnehmerseite, dass die Unternehmen für die Gewinnung qualifizierter Arbeitskräfte auf eine gute Altersvorsorge angewiesen seien und der Strukturwandel leistungsseitig keine Wirkung habe, wird dann enttäuscht, wenn auf breiter Basis und aus welchen Gründen auch immer das Interesse auf Arbeitgeberseite an der beruflichen Vorsorge schwindet.

Die grossen Unternehmen und Konzerne, vielfach unter einem nichtschweizerischen CEO und mit Blick auf die IAS-Regelungen, gehen in Richtung 1e-Pläne und Abschieben der Verantwortung auf die Versicherten. Und KMU werfen das Handtuch, weil die Komplexität längst das vernünftige Mass überschritten hat und auch sie Verantwortung abgeben wollen. Ist aber der unmittelbare Konnex zwischen Kasse und Firma durchbrochen, wird auch das Engagement schwinden. Ein Leistungsausbau ist dann nicht mehr zu erwarten, im Gegenteil. Die Zahlen der Swisscanto-Umfragen sprechen eine deutliche Sprache.

Da besteht zwar ein Kapitalstock von rund 1 Bio. Franken, aber irgendwie scheint trotz immenser Masse der dahinter stehende Geist geschwächt und verdüstert. Verwaltung und Politik verwickeln sich zusehends in Bemühungen zu einer abstrusen Perfektionierung gemäss jeweils aktuellen Trends in Gender-, Umwelt- oder Governancefragen. Das bedient die Steckenpferde der jeweiligen politischen Akteure, liegt aber trotz gegenteiliger Beteuerungen kaum im Interesse der Destinatäre. Man überlastet die Vorsorgeeinrichtungen mit wesensfremden Aufgaben und schwächt sie damit. Das scheint aber in Bern niemanden zu interessieren.

Zu denken geben muss insbesondere, dass, wie Ruggli erklärte, zunehmend Pensionskassen ihre Selbständigkeit aufgeben, die weder von der Grösse noch von ihrer finanziellen Lage her dazu gezwungen wären. Das müsste eigentlich auf allen Ebenen von Verbänden, Verwaltung bis zur Politik die Alarmglocken läuten lassen. Geschieht aber nicht.

Wird die Entwicklung als unumkehrbar oder gar als positiv empfunden? Wie auch immer, man sollte sie zumindest sorgfältig analysieren und nach den Ursachen und Konsequenzen fragen. Man nimmt sie aber bloss entspannt zur Kenntnis, verfolgt weiterhin das business as usual, streitet sich über Umwandlungssatz und Mindestzins und wartet mit mässigem Interesse, wo dereinst das PK-Sterben seinen Endpunkt finden mag. Bei 1000, 500 oder auch nur 200 Kassen.

Peter Wirth, E-Mail