aNationalrat Rudolf Rechsteiner hat sich mit Josef Bachmann, früherer Geschäftsführer der PwC-Pensionskasse, für die Schweizer Personalvorsorge zu einem Streitgespräch getroffen. Was sie verbindet ist das politische Engagement für die 2. Säule. Was sie trennt sind mehr als technische Differenzen. Der SP-Politiker und der Praktiker sehen die Situation aus fundamental unterschiedlicher Perspektive. Höchst aufschlussreich deshalb ihre zentralen Aussagen, die wir im Folgenden kommentieren.

Umverteilung.
Rechsteiner: Eine echte Umverteilung gab es in den 90er Jahren, als man mit dem Rentnerkapital hohe Gewinne machte, diese aber nur zu einem kleinen Teil an die Rentner weitergab. Heute ist es umgekehrt: Die Rentner verursachen teilweise Verluste. Jetzt fliesst halt etwas mehr von den Aktiven zu den Rentnern. Eine gewisse Umverteilung ist für mich kein Problem.

Bachmann: Wenn wir heute zu hohe Leistungen versprechen, ist das ein finanzielles Desaster für die zukünftigen Generationen. Die Neurentner bekommen viel weniger, sodass wir möglicherweise in Zukunft mit Altersarmut leben müssen.

Unsere Einschätzung: Zwischen der Umverteilung in den 90er Jahren und heute liegen gewaltige quantitative Unterschiede. Gemäss OAK waren es für die Jahre 2016 und 17 zusammen rund 15 Milliarden. Für Rechsteiner ist aber die Umverteilung von den Aktiven sprich Jungen zu den Pensionierten nicht der Rede wert, umgekehrt hingegen schon und nur in diesem Falle «echt». Auffallend, wie auch die Gewerkschaften bei der Altersvorsorge sich um die Sorgen der Jungen foutieren und stets die Alten in Schutz nehmen.

Flexible Renten.
Rechsteiner: Ich lehne es ab, dass man jährlich die Rentenhöhe ändert. Irgendwo gehört ein Nagel in die Wand, man wird pensioniert und erhält eine feste Rente. Bei einem Umwandlungssatz von 5 Prozent ist ein Zins von 0 Prozent bereits eingerechnet, also bewegen sich viele Kassen schon heute nahe am «Worst Case», und dies während die Erträge munter sprudeln. Da die Zinsen nie längere Zeit unter Null sinken können, stellt sich das Problem nicht.

Bachmann: Die Meinung ist sehr populär, dass Rentner bei der Pension mit einem lebenslänglich gleich hohen Einkommen rechnen können. Doch die fixe Rente gibt diese Sicherheit gar nicht. (…) Aber was ist, wenn wir grosse Teuerung haben? Dann gibt es, falls die Renten ungenügend angepasst werden, einen Kaufkraftverlust. Deshalb brauchen wir kaufkraftorientierte Renten. (…) Ein fixer Rentenbetrag ist eine Scheinsicherheit.

Unsere Einschätzung: Einen Nagel in die Wand will Rechsteiner. Aber der muss dann im Schnitt 20 Jahre lang halten, für Frauen sogar 23. Der heute im BVG geregelte Teuerungsausgleich ist seinen Namen nicht wert. Die stets risikoaverse Linke verwechselt Fixierung mit Sicherheit. Und bemerkenswerterweise scheint er als Ökonom dabei einer naiven Geldillusion zu unterliegen. In dynamischen Strukturen, wie unserer Gesellschaft, kann Sicherheit nur mit dynamischen Anpassungsmechanismen geschaffen werden. Aber das scheint man weder beim Bund noch sonst wo zu sehen. Und auch bei den Fachverbänden schreckt man vor der Einsicht zurück. Und von den Kosten der Rentengarantie wird erst recht nicht geredet. Anzufügen wäre noch, dass auch ein Umwandlungssatz von 5% nicht gratis zu haben ist, sondern netto immer noch knapp 2% Rendite voraussetzt.

Höhe Umwandlungssatz
Rechsteiner: Am lautesten schreien die Lebensversicherer, die gerne ihre Dividende für die Aktionäre erhöhen möchten. Bei den autonomen Kassen erkenne ich keine Notlage, dank der Umhüllung und den lockeren Solvenzvorschriften.

Unsere Einschätzung: Das Versicherungsbashing sollte für den Dr.rer.pol. eigentlich schon aus Selbstachtung ausfallen, besonders in der hier gepflegten populistischen Variante. Rechsteiner ist in Erinnerung zu rufen, dass längst nicht alle Kassen den Ausweg über das Anrechnungsprinzip nehmen können. Zudem widerspricht es im Kern der BVG-Systematik.

Sicherheit
Rechsteiner: Wenn man sich genug Zeit lässt, sind auch grosse Einbrüche an der Börse irgendwann wieder verschwunden. Eine befristete Unterdeckung – so what?! Wenn man langsam justiert, können alle damit leben. Das ist mir sympathischer als so eine «Renten-Gigampfi» von Fall zu Fall mit individuellen Eckwerten jeder einzelnen Kasse, intransparent und faktisch nicht kontrollierbar.

Unsere Einschätzung: Man muss wohl ziemlich weit links angesiedelt sein, um ein so naives Verhältnis zum Kapitalismus zu haben. Irgendwann verschwindet – hokus pokus – die Unterdeckung. Der Kapitalmarkt richtet’s automatisch. Wie etwa bei der baselstädtischen PK, bei welcher Rechsteiner im Verwaltungsrat sitzt und welche in den letzten 12 Jahren mit über 2 Milliarden Steuergeldern mehrfach saniert werden musste und welche – wohl aus Vertrauen in den Kapitalmarkt – wieder zur Teilkapitalisierung gewechselt ist. Das Vorbild BVK liegt weit weg. Wenigstens konnten so die Staatsdiener am Rheinknie von der «Gigampfi» verschont werden. Die weniger glücklichen Versicherten etwa im Gewerbe durften dafür kräftig mitfinanzieren und selbst teils massive Leistungseinbussen hinnehmen. «So what?». Dem VPOD-Mitglied Rechsteiner kann das wohl egal sein.

Präferenzen
Bachmann: Ich möchte einfach, dass meine Kinder nicht die Geprellten sind. Und ich fürchte, dass man eine Reform vorlegt, die jetzt nicht weh macht, aber übermorgen sehr teuer sein wird.

Rechsteiner: Da habe ich ganz andere Präferenzen, etwa das Klimaproblem. Wenn das Meer pro Jahr mehr als sechs Zentimeter steigt, schafft das weltweit und auch bei uns ganz andere Umverteilungen.

Unsere Einschätzung: Für Rechsteiner ist ein nachhaltiges Funktionieren der 2. Säule ein bescheidenes Nebenproblem. Seine Präferenz liegt bei der Rettung des Planeten Erde. Da wollen wir ihn doch nicht länger mit unseren sozialpolitischen Wehwehchen belästigen.

Peter Wirth, E-Mail