Enttäuschung auf Seite der Befürworter der AV2020, auf Seite der Gegner Erleichterung, aber kaum Begeisterung. Alle wissen, wie heikel der Neustart ist. Aber das liegt nicht in der Natur der Sache, sondern der politischen Konstellation. Grundsätzlich sind die zu lösenden Aufgaben einfach. In der zweiten Säule muss der Umwandlungssatz gesenkt werden, was nur deshalb Probleme stellt, weil das Parlament gegen jede Vernunft auf einer gesetzlichen Verankerung beharrt. Bei der AHV müssen die Einnahmen erhöht und/oder die Leistungen gesenkt werden. Andernfalls ist sie in wenigen Jahren pleite. Das ist alles ganz unbestritten. Und all das kann ein Parlament, das sein Geld wert ist, in zwei Sessionen verabschieden. Voraussetzung ist, man geht die Fragen pragmatisch an und stilisiert sie nicht zum religiösen Glaubensbekenntnis hoch.

SP und CVP haben die Quittung erhalten für das sture Durchdrücken ihrer Vorstellungen. Der Begriff «Kompromiss», einst Qualitätssiegel schweizerischer Politik, wurde bis zur Karikatur entstellt. Bundesrat Berset hat eine massive Niederlage erfahren. Viel zu schnell und einseitig hat er sich in den Parlamentsdebatten hinter das SP/CVP-Modell gestellt. Für die Neuformulierung der Reform hat er alle Glaubwürdigkeit verloren.

Was können oder sollten wir von den Fachverbänden erwarten dürfen? Ihr Beitrag an der Reformdiskussion hat nicht überzeugt. Der ASIP wollte sich auf den «Faktencheck» konzentrieren, hat dann aber doch Abstimmungspropaganda gemacht. Allerdings war das damit beauftragte PR-Büro mit der Aufgabe heillos überfordert.

Die Versicherer waren gespalten und grosse Erwartungen an ihren Beitrag für die Neuauflage wird niemand hegen. Nachdem die rein ideologisch motivierte Erhöhung der Legalquote (ein Unsinn aus dem Hause Berset) vom Tisch war, schienen einige wichtige Exponenten mit dem Resultat schon zufrieden. Der Rest hat die Faust im Sack gemacht. Dass eine ganze Reihe weitere Punkte auf die Assekuranz abzielten – im Gesamtrahmen der Revision völlig überflüssig – gehört zum diffusen Gesamtbild dieser überladenen und teilweise chaotischen Vorlage.

Wenig Erhellendes hat man auch von Seite der PK-Experten und Aktuare gehört. Es ist aber schwer bis gar nicht nachvollziehbar, wie Vertreter dieses Berufsstands sich mit Ideen wie etwa der Umwandlungssatz-Garantie über 20 Jahre bei einem massiv überhöhten Satz von 6% incl. doppelter Schattenrechnung abfinden können, ja solches gar noch befürworten. Einzelne, wenige Exponenten haben sich deutlich geäussert. Aber die Kammer war offenbar nicht in der Lage und auch gar nicht willens, «klare Kante» zu zeigen. Wegweisende Vorschläge für die Reform-Neuauflage wird man auch aus dieser Ecke nicht erwarten dürfen.

Bei den Linken, wo Partei- und Gewerkschaftspolitik in Personalunion betrieben werden, hat Pragmatismus in der Sozialpolitik keinen erkennbaren Stellenwert. Deshalb werden sie sich mit aller Kraft gegen die Eliminierung des Umwandlungssatzes aus dem Gesetz wehren, wie das jetzt der ASIP fordert. Auf bürgerlicher Seite ist nicht viel Innovationskraft bezüglich Modernisierung der Altersvorsorge auszumachen. Stabilisieren für 10 Jahre ist allenfalls die Zielgrösse, die man von der Reform erwarten kann. Das ist dürftig und stellt unseren Institutionen insgesamt ein trauriges Zeugnis aus. Die weitere Entwicklung ist spannend, aber nicht vielversprechend.

Peter Wirth, E-Mail