Finanz und Wirtschaft mit Ivo Furrer, Leiter des Schweizer Geschäfts der Swiss Life, ein Interview zu AV2020, Umwandlungssatz, Mindestzins und Negativzinsen geführt. Auszüge:

Herr Furrer, die alternde Bevölkerung und die niedrigen Zinsen stellen die Vorsorgeeinrichtungen vor grosse Herausforderungen. Wie beurteilen Sie den Gesundheitszustand des Systems und seiner Einrichtungen auf einer Skala von eins bis sechs?
Den heutigen Zustand würde ich mit einer Vier bewerten, also mit einem Genügend. Das schweizerische Vorsorgesystem ist mit den drei Säulen AHV, berufliche Vorsorge und individuelles Alterssparen unter den weltbesten, zehrt aber zu sehr von Polstern. Da ist viel Reformbedarf. Wir wollen in der Schweiz ja nicht bei einer Vier bleiben, sondern eine bessere Note anstreben. Da müssen wir alle daran arbeiten.

Wo sind die grössten Mängel?
Wegen der Entwicklung der Lebenserwartung und der tiefen Zinsen ist der gesetzliche Umwandlungssatz der beruflichen Vorsorge viel zu hoch. Er bestimmt, welcher Prozentsatz des gesparten Kapitals den künftigen Pensionierten als Rente jährlich ausgezahlt wird. Weil zu viel versprochen wird, kommt es zu einer ungleichen Verteilung von Anlageertrag. Das ist ungerecht und unnötig. Wer nun denkt, die notwendige Umwandlungssatzsenkung mit der AHVplus-Initiative zu kompensieren, geht einen falschen Weg. Ein solcher AHV-Ausbau würde der ganzen Bevölkerung sehr hohe Finanzierungskosten aufbürden.

Die «Altersrentenreform 2020» des Bundesrats sieht auf dem obligatorischen Teil der Zweitsäulevermögen in vier Jahren einen Umwandlungssatz von 6% vor, nach zurzeit 6,8%. Was wäre der mathematisch richtige Satz?
Im überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge lässt sich schon lange ablesen, was realistisch ist. Da ist der Umwandlungssatz erheblich niedriger. Nur so geht für die Pensionskassen und die Versicherer die Rechnung noch auf. Auf das Ganze bezogen ist zukunftsgerichtet ein Umwandlungssatz in der Grössenordnung von 5% angebracht.

Sind die Arbeitgeber mit Blick auf die höheren Spar beiträge zur Beschäftigung über 65-Jähriger bereit?
Die Arbeitgeber beginnen umzudenken und werden mehr dafür tun, ältere Mitarbeitende länger im Arbeitsprozess zu halten. Ihre Vorsorgebeiträge liegen in der Regel um einen geringen zweistelligen Betrag pro Monat höher und fallen ehrlicherweise nicht ins Gewicht, um Menschen über das reguläre Pensionierungsalter hinaus zu beschäftigen – vorausgesetzt, die betreffende Person ist agil und hält mit der Entwicklung im Arbeitsprozess Schritt. Da sehe ich keinen Hinderungsgrund.

Gemäss Empfehlung der eidgenössischen BVGKommission soll der Bundesrat den Mindestzins der beruflichen Vorsorge für 2017 von 1,25 auf 1% senken. Was halten Sie davon?
Seit der letzten Festlegung ist das ganze Zinsgefüge deutlich nach unten gerutscht. Deshalb muss der BVG-Mindestzins für 2017 stärker sinken, als die BVG-Kommission vorschlägt. Wir unterstützen die Forderung des Schweizerischen Versicherungsverbands, den Mindestzins auf 0,5% zu vermindern. Das wäre immer noch hoch im Vergleich zu den Zinsen auf dem Bank- bzw. dem Sparkonto.

Gerade die als besonders sicher geltenden Bundesobligationen weisen heute wegen der Notenbankpolitik mehrheitlich eine negative Verfallrendite auf. Erwirbt Ihr Unternehmen dennoch solche Neuemissionen?
Bisher haben wir keine Bundesobligationen zu Negativrendite gezeichnet. Wie teuer kommt Swiss Life der Negativzins, den Banken auf den Konten von Grosskunden verrechnen? Cash halten wir fast keines, da unser Geschäft auf Langfristigkeit ausgerichtet ist. Wir haben so bisher auch praktisch keine Negativzinsen bezahlt.