In einer ergänzenden Studie (“2. Meinung”) hat der vom BSV beauftrage Aktuar Jürg Keller eine Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Hato Schmeiser erarbeitet. Unter dem Titel “Bestimmung der Mindestquote der Lebensversicherer in der beruflichen Vorsorge” hält Keller in seiner Zusammenfassung fest:
“Die „Auskömmlichkeit“ des BVG-Geschäfts auf die Differenz zwischen sicherem Zins und BVG-Zins und die Mindestquote zu reduzieren, trägt der tatsächlichen Interessenlage der Versicherer zu wenig Rechnung. So kann der Versicherer seine Bezüge aufgrund der bei der Mindestquotenberechnung angewendeten „Brutto“-Methode (Anteil basierend auf den Erträgen) über die Prämientarifierung erheblich beeinflussen. Nebst seinem Anteil an den Erträgen stellt die Möglichkeit, Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten bei der Ergebnisermittlung voll in Abzug zu bringen, eine weitere, wesentliche Ertragsquelle für den Versicherer dar. Dem Versicherer entsteht auch ein geldwerter Nutzen durch den Betrieb des BVG-Geschäfts aufgrund von Dienstleistungserträgen, Skalen- und Synergieeffekten.
Für den Anteil des Versicherers können hohe Zuflüsse wichtiger sein als eine tiefe Ausschüttungsquote. Aus Sicht der Prämienzahler wiederum ist eine Prämienreduktion zielführender als eine Erhöhung der Mindestquote. Solange die Tarifierung sowie die freie Bestimmung und Allokation des Aufwandes in der Zuständig-keit der Versicherer liegen, bleibt einzig die Anpassung der Mindestquote, um längerfristig eine höhere Beteiligung der Versicherten an den Ertragsüberschüssen zu erreichen.
Die Grundfrage lautet also weniger: „Wird der Versicherer für die Risikotragung gebührend entschädigt?“ als „Können aus dem Gesamtsaldo (Ergebnis) die erforderlichen Rückstellungen in der notwendigen Höhe auf-gebaut werden?“.
(…)
Wie die Versicherer auf eine Erhöhung der Mindestquote von 90% auf 92% oder 94% reagieren werden, lässt sich nicht mit Bestimmtheit voraussagen. Eine Erhöhung von 90% auf 92% ändert rückblickend für drei der fünf analysierten, grössten Versicherer praktisch nichts. Selbst eine Erhöhung auf 94% ist aufgrund der aufgezeigten Mechanismen nicht als bedrohlich einzuschätzen. Existenzieller wären eine Einschränkung der Tarifautonomie oder ein Kostendach, würden doch damit Manövriermasse und verdeckte Erträge beschnitten.
Den Versicherern wird es auch weiterhin gelingen, sich den Veränderungen anzupassen, wenn diese in zeitlicher und materieller Hinsicht nicht überraschend kommen. Insbesondere solange die Tarifierung und das Pricing von Dienstleistungen in ihrer Zuständigkeit verbleiben.”