imageBeat Kappeler, Publizist und Ex-Gewerkschaftssekretär, hat sich in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger über Grund und Ausmass der herrschenden Finanzkrise ausgelassen und macht dazu eine Fülle bedenkenswerter und auch beunruhigender Überlegungen. Natürlich kommt auch das Thema Pensionskassen zur Sprache. Auszüge:

Wirtschaftsverbände verlangen Steuererleichterungen als Massnahme gegen tiefen Euro- und Dollarkurs. Wäre das eine Variante?
Das wäre eine Hauruck-Massnahme, die viel zu viel kostet, gemessen an dem, was sie nützt. Steuererleichterungen würden für In- und Ausländer und für starke und schwache Exporteure gelten. Die Aufwertung des Frankens ist zwar brutal, aber nicht zum Verzweifeln. Nach Ansicht vieler Experten läge die Kaufkraftparität um 1,30 Euro, jetzt sind wir bei 1,08. Das sind schmerzliche Unterschiede, aber wir haben dafür auch billigere Importe, wir haben tiefe Zinsen und wenig Inflation.

Von der SP und den Grünen werden Negativzinsen für ausländische Investoren gefordert.
Das zeugt von Faktenresistenz. Das hat schon vor 40 Jahren nichts genützt. Wie gesagt: Während 24 Stunden werden irgendwo in der Welt Franken gehandelt, die Frankenaufwertung kommt nicht so zustande, dass Gelder in die Schweiz fliessen und hier quasi den See zum Überlaufen bringen.

Die Grünen fordern einen Krisengipfel zur Frankenproblematik mit allen Parteien, mit der Wirtschaft.
Das ist die übliche politische Betriebsamkeit, die etwas Sinnloses vortäuscht. Es gibt nicht viele Massnahmen, die getroffen werden können. Und die Politiker verstehen sowieso zu wenig von dem, was passiert.

Die bürgerlichen Parteien, FDP und SVP, wollen ein Revitalisierungsprogramm: Steuern und administrative Hürden senken, Freihandelsabkommen abschliessen.
Das ist alles recht, aber auch das hilft in einer akuten Währungssituation nicht. Nach 45 Jahren Beobachtung der Schweizer und der Weltwirtschaft muss ich sagen: Es gibt Situationen, für die es keine Lösung gibt. Die hastige Suche von Politikern, die Lösungen versprechen, ist einfach lächerlich. Es gibt keine Lösung.

Haben die von der Nationalbank getroffenen Massnahmen negative Effekte für Sparer?
Die Sparer sind seit fünf Jahren die Betrogenen. Den Pensionskassen geht es ähnlich. Der Bundesrat in seiner unerforschlichen Weisheit legt jeweils Anfang Jahr fest, wie hoch Altersguthaben verzinst werden müssen, dieses Jahr mit 2 Prozent. Es ist unglaublich, dass der Bundesrat das darf. Die realen Renditen werden auch dieses Jahr darunterliegen. Pensionskassen, Pensionsanwartschaften, Sparer sind von der Tiefzinspolitik betroffen. Auf der andern Seite haben sie ihr Geld und ihre Rente in der stärksten Währung der Welt. Das sorgt für eine gewisse Kompensation, man muss dann halt als Rentner ein wenig reisen.

Also die Renten zum Beispiel in Thailand verbraten.
Das wäre eine Idee, oder auch in Spanien, wo früher viele Schweizer hingegangen sind.

Das heisst: Es droht eine gewaltige Krise.
Ja. Das ist die Folge einer fundamentalen Änderung, in der die westliche Welt steckt: Der keynesianische Endpunkt ist erreicht. Bis jetzt hat der Staat nach der Lehre des Ökonomen Keynes mit Defiziten und neuen Schulden versucht, die Wirtschaft anzukurbeln, wenn sie stockte. Jetzt sind fast sämtliche Staatshaushalte in der westlichen Welt aus dem Ruder gelaufen. Wegen der riesigen Schulden kann man die Wirtschaft nicht mehr mit weiteren Schulden ankurbeln. Das ist eine völlig neue Situation. Wir haben zehn unglaubliche Jahre vor uns.

 Interview Kappeler