Der «Weidmann-Bericht» zum Ausbau der Infrastruktur setzt andere Aspekte als die vielfach politisch motivierten Volksentscheide. Vor allem betont er die Notwendigkeit diverser (abgelehnter) Projekte und die einer einheitlichen Strategie.
Economiesuisse begrüsst die Aussagen. In einem Interview des Tages-Anzeigers mit Alexander Keberle, Geschäftsleitungsmitglied, entwickelt dieser einen interessanten Ansatz zur Finanzierung, der insbesondere für Pensionskassen von Bedeutung wäre. Auszüge:
Herr Keberle, wie beurteilt Economiesuisse den Weidmann-Bericht?
Wertschätzend. Das war eine überfällige Übung. Drei Aspekte stechen hervor: erstens die enge Verknüpfung von Strasse, Schiene und Agglomeration. Nur wenn man sie zusammen denkt, gibt es gute Lösungen. Zweitens: Der Appetit ist grösser als der Magen. Die gesamte Wunschliste übersteigt die verfügbaren Mittel um ein Mehrfaches. Und drittens die Stolpersteine: Der Bericht weist eindringlich auf die Bedeutsamkeit von Fachkräften, Kosteneinhaltung, Regulierung und Digitalisierung hin.
Was fordern Sie?
Das Zusammenspiel zwischen Strasse und Schiene muss stärker berücksichtigt werden. Und es gilt, vermehrt das Wie zu diskutieren: Wie stellen wir sicher, dass kosteneffizient und im Zeitbudget geplant und gebaut wird? Wie mobilisieren wir Mittel bei knappen Bundesfinanzen? Die Wunschliste ist derzeit nur finanziert. Viele Projekte leiden unter Verzögerungen und Kostenüberschreitungen. Wir müssen auch neue Wege ausprobieren. Wieso nicht etwa öffentlichprivate Partnerschaften prüfen?
Was meinen Sie damit?
Der Staat könnte vermehrt mit Unternehmen zusammenspannen, bei der Umsetzung, aber auch bei der Finanzierung. Viele Länder setzen auf diese Option. Und Studien zeigen, dass so Budget- und Zeitrahmen eher eingehalten werden. Die Möglichkeiten sind schon da: Schweizer Pensionskassen dürfen beispielsweise 10 Prozent ihrer Vermögen in Infrastruktur investieren. Das wären um die 130 Milliarden. Tatsächlich wenden sie mangels Möglichkeiten nur rund 25 Milliarden Franken auf und viel davon im Ausland. Auch Banken und Versicherungen könnten Interesse haben.
Moment: Economiesuisse fordert, Infrastrukturprojekte mithilfe von Privaten zu bauen. Gleichzeitig unterstützte der Verband die Sparvorschläge des Bundes im öffentlichen Verkehr. Wie passt das zusammen?
Unser Anliegen ist, dass wir die Kostenexplosion nicht länger als Naturgesetz hinnehmen und auf höhere Steuern oder Schulden zurückgreifen müssen. Der Bericht der ETH Zürich ist ein Weckruf. Dass wir zugleich Haushaltsdisziplin fordern, ist kein Widerspruch: Wir fordern, dass wir uns nach der Decke strecken. Wir fordern nicht, dass wir die Decke durchschlagen.
Wie muss man sich eine solche öffentlich-private Finanzierung konkret vorstellen?
Die Privatwirtschaft stellt Infrastruktur zu einem gewissen Preis und vorher festgelegten Qualitätsstandards zur Verfügung. Im Gegenzug erhält sie dafür eine Vergütung durch den Staat. Nach einem bestimmten Zeitraum endet die Konzession, und die Infrastruktur fällt an den Staat zurück. Wie bei der Schweizer Wasserkraft.
Was ist mit den Folgekosten von Betrieb und Unterhalt? Es besteht die Gefahr, dass wir überstürzt Infrastrukturen bauen und dann kein Geld mehr haben, um Angebote wie den Viertelstundentakt zu finanzieren.
Betrieb und Unterhalt müssen mitgerechnet werden, egal wer finanziert.
Warum schaffen wir es nicht mehr, Ausbau und Unterhalt von Infrastruktur auf die Reihe zu kriegen?
Ein Grund ist, dass wir in der Schweiz schon eine stark optimierte Infrastruktur haben. Das macht Entwicklungen komplex. Ein weiterer sind Bürokratie und Regulierung, die Bauprojekte verzögern. Schliesslich spielt die Politik eine Rolle. Der politische Wille zur Umsetzung von Projekten und deren Sinnhaftigkeit gehen nicht immer Hand in Hand.
TA / Mitteilung BR zum Weitmann-Bericht
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