Kein Grund zum Jubel für die Gewinner – kein Grund zur Verzweiflung bei den Verlierern; aber Anlass, aus den Erfahrungen dieser BVG-Abstimmung zu lernen.

Dass die BVG-Reform an der Urne scheitern wird, hat sich seit geraumer Zeit abgezeichnet. Dass die Niederlage so krass ausfällt, ist hingegen unerwartet. Ihre Zielsetzung war richtig, die Umsetzung politisch und fachlich unbefriedigend. Damit sind ein enormer Aufwand und viel guter Wille vertan. Vom Sozialpartnerkompromiss bis zur Abstimmung wurde während 5 Jahren an dieser Reform gearbeitet und diskutiert. Was lief falsch?  Was wäre beim nächsten Anlauf (wann?) besser zu machen?

  1. Der Auftrag von Berset an die Sozialpartner war im Grunde richtig, das Resultat nicht brauchbar. Die Gewerkschaftsseite wollte eine 2. Säule mit fest installierter Umverteilung und enormen Kosten, und die Arbeitgeber zogen – aus was für Gründen auch immer – mit. Das Parlament refüsierte.
  2. Besser funktioniert hat die Zusammenarbeit von PK-Experten und Fachverbänden mit den bürgerlichen Fraktionen im Nationalrat. Dem Ständerat konnte eine brauchbare Lösung mit diversen Vorschlägen zur Weiterbearbeitung übergeben werden.
  3. Der Ständerat glaubte, es besser zu können und mit sozialpolitischen Goodies den Erfolg an der Urne zu sichern. Aber die vom Parlament verabschiedete Reform hätte zu einem starken Ausbau der beruflichen Vorsorge mit neuer Umverteilung geführt, verbunden mit erheblichen Umsetzungsproblemen. Man verlor damit die Unterstützung der Experten, einflussreicher Berufsverbände und prominenter PK-Geschäftsführer.
  4. Während die Linke mit irreführenden Behauptungen aus allen Rohren gegen die Reform schoss, waren die Befürworter durch Uneinigkeit in den eigenen Reihen handicapiert. Ihre Kampagne kam nie auf Touren.

Was ist daraus zu schliessen?

  1. An eine Neuauflage des Sozialpartnerkompromiss’ ist nicht zu denken. Anders als ihre Basis sind die Spitzen der Gewerkschaften und der SP an der 2. Säule nicht interessiert. Im Gegenteil – sie liebäugeln unverhohlen mit der Volkspension. Wenn nicht in einem Schritt, dann durch die Einführung wesensfremder Elemente, bis die berufliche Vorsorge ihren Charakter verloren hat.
  2. Das Vorgehen im Nationalrat hat sich als wegweisend erwiesen. Die berufliche Vorsorge hat eine fachtechnische und eine politische Dimension. Nur wenn beide Seiten zusammenarbeiten, ist eine tragfähige Lösung möglich.
  3. Eine neue Revision ist so umfassend wie nötig und so einfach wie möglich zu gestalten. Der Stimmbürger muss wissen, was für Konsequenzen die Reform für ihn persönlich hat.
  4. Die zentralen Inhalte bleiben die gleichen: Senkung des Mindest-Umwandlungssatzes und Modernisierung zur Besserstellung von Teilzeitbeschäftigten. Das dürfte keine Hexerei sein. Keep it simple. Nicht unbedingt erste Priorität der Politiker.
  5. Im geschlossenen System der 2. Säule gibt es keine Geschenke. Was man dem einen gibt, nimmt man der anderen weg. Unter welchem Namen sie auch immer laufen (Solidarität, Gerechtigkeit etc.), sie schaden dem System.
  6. Nirgends ist Umverteilung verfehlter als beim Sparprozess der 2. Säule, wo die Nutzniesser und Geschädigten kaum identifiziert werden können und quer durch die Reihen von Jung und Alt, Arm und Reich gehen. Umverteilung ist Rentenklau oder präziser: Diebstahl.
  7. Nachdem Rot/Grün während der ganzen parlamentarischen Behandlung auf Obstruktion gemacht hat (samt ihrem Bundesrat), ist auch künftig von dieser Seite in Sachen berufliche Vorsorge leider nichts Konstruktives zu erwarten. Man beachte bloss die aktuellen SP-Forderungen nach Erziehungsgutschriften und automatischem Teuerungsausgleich etc. im BVG.
  8. Gibt’s auch noch etwas Positives zu melden? Die Klagen über den Gender Pension Gap brauchen nicht länger ernst genommen zu werden. Ein so weitgehender BVG-Ausbau zur Besserstellung der Frauen wird es nicht mehr geben. Das wurde verschenkt.

Peter Wirth, E-Mail