Katharina Fontana greift in einem Kommentar die Diskussion nach dem Interview mit der Historikerin Andrea Franc auf, welche insbesondere in progressiven Kreisen aber auch darüber hinaus in Empörung und Wehklagen ausuferte. Mit Bezug auf die Einkommenssituation vieler Studenten der Geisteswissenschaften nach Studienabschluss schreibt Fontana:

Fünf Jahre nach Abschluss arbeiten Geisteswissenschafter noch immer signifikant häufiger Teilzeit als andere Universitätsabgänger, gut 55 Prozent sind es, und das im Alter von 30 bis 35 Jahren. Nur jeder Zehnte würde gerne mehr arbeiten. Rund 40 Prozent begründen die Teilzeitarbeit mit dem Wunsch nach mehr Zeit für persönliche Interessen.

Sicher, Selbstverwirklichung ist eine schöne Sache. Doch wenn die hochqualifizierten Akademiker der Allgemeinheit später wenig zurückgeben und aufgrund ihres tiefen Einkommens kaum Steuern und Sozialabgaben bezahlen, geht die Rechnung nicht auf. Das Geld, das die Gesellschaft in ihre Ausbildung investiert, wirft zu wenig Rendite ab.

Wer diese Fehlentwicklung benennt, hat kein «brutales Menschenbild», wie der Dekan der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Luzern meint, sondern ist ganz einfach nüchterner Realist. Würden pro Jahr ein paar hundert Absolventen die Universität als Geisteswissenschafter verlassen, wäre das kein Thema. Doch es handelt sich um die mit Abstand grösste Studentengruppe überhaupt, und damit bilden sie eine relevante Grösse.

Auch wirtschaftlich gesehen ist es fragwürdig, an den Universitäten derart viele Personen zu unterrichten, die auf dem Arbeitsmarkt zwar irgendwo unterkommen, die – im Unterschied etwa zu Medizinern oder Ingenieuren – aber nicht eigentlich gesucht sind. Der Sozialdemokrat Rudolf Strahm nennt diese Gruppe von Studienabgängern «Überschussakademiker» – das ist nicht gerade nett formuliert, aber treffend.

Das gemeinschaftliche Sich-Empören über Francs provokative Kritik an den Geisteswissenschaften mag den beleidigten Seelen guttun. Es ist auch ein bequemer Weg, vom eigentlichen Thema abzulenken. Doch das ändert nichts daran, dass die Schweiz heute zahlreiche Akademiker ausbildet, die ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Und bei denen man nicht recht weiss, welchen Nutzen sie für die Gesellschaft und die Wirtschaft haben.

  NZZ / Interview Franc / Eink.Statistik Berufsberatung