Er gehe vollmotiviert an die Neuauflage der Rentenreform heran, erklärte Bundesrat Berset nach seiner Abstimmungsniederlage im Herbst vergangenen Jahres. Man darf zweifeln. Die ersten Eckpunkte zur AHV-Revision lassen eher vermuten, dass Berset – ähnlich wie sein Vorgänger Burkhalter – den Verleider am Geschäft hat. Dass der von ihm geforderte MWSt-Zuschlag von 1,7% chancenlos ist, muss ihm bewusst sein. Zu der angeblich unumgänglichen Kompensation resp. Abfederung der Erhöhung des Frauenrentenalters ist ihm resp. dem federführenden BSV nichts Überzeugendes eingefallen. Das werde noch nachgeliefert, hiess es. Alles einigermassen beunruhigend, angesichts der Bedeutung des Geschäfts.

Das BVG soll in einer separaten Runde behandelt werden. Das ist richtig, nachdem die Idee eines Gesamtpakets – obwohl von der Sache her gerechtfertigt – an den politischen Realitäten gescheitert ist. Und grundsätzlich richtig ist auch das Konzept, zuerst die Sozialpartner einen gemeinsamen Vorschlag ausarbeiten zu lassen. Denn die Sozialpartner finanzieren die 2. Säule zu 100%; eine Vorsorge ohne Subventionszuschuss. Die Politik sollte hier lediglich subsidiär eingreifen, etwa nach dem Vorbild Schweden.

Aber ob es tatsächlich zu einer gemeinsamen Vorlage kommt – die Sozialpartner haben dazu ein Jahr Zeit – ist fraglich. Die Chancen stehen schlecht. Die Vorsorge ist gesamthaft über alle Massen verpolitisiert, die im Grunde einfachen und elementaren Fragen, sind kaum mehr sichtbar. Sie verschwinden unter einem Wust von Schlagworten, ideologischen Positionen und einem immensen gesetzlichen Apparat, der die Vorsorge überwuchert hat und jede Revision von vornherein zur Sisyphus-Arbeit macht.

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Bemerkenswerterweise liegen zur zentralen Frage der Umwandlungssatz-Senkung zwei Vorschläge aus Expertenkreisen vor. Sie haben unterschiedliche Ansätze und unterschiedliche Vor- und Nachteile. Im Deprez-Modell kann der Satz auf einen Schlag gesenkt werden, was aber ohne übergeordneten Ausgleichsmechanismus – sprich Sifo – kaum machbar ist. Der Vorschlag Fink benötigt eine längere Übergangsfrist zur Senkung, könnte aber weitgehend dezentral realisiert werden.

Beiden erfüllen die politische Forderung, dass während mindestens zehn Jahren die Obligatoriums-Leistungen auf gesetzlicher Basis ausgeglichen werden müssen. Praktisch alle umhüllenden Kassen haben in den letzten Jahren ihre Umwandlungssätze gesenkt, im Durchschnitt bereits unter 6%.

Für die schätzungsweise 15% in BVG-Kassen von der Senkung Betroffenen soll absehbar auch bei der Neuauflage der BVG-Revision ein in jedem Fall aufwändiger und über Jahre dauernder Prozess in Gang gesetzt werden, der alle Kassen trifft, auch solche mit weit tieferen Sätzen. Die Zusammenhänge dem Stimmvolk klar zu machen, das voraussichtlich abschliessend sein Placet geben muss, dürfte erneut schwierig werden. Und nicht bloss, weil es fachtechnisch anspruchsvoll wäre, sondern weil es im Kern um einen Konstruktionsfehler des Gesetzes geht, an den sich niemand heranwagt.

Die mit dem gesetzlichen Umwandlungssatz verbundene, praktisch absolut geltende Leistungsgarantie fixiert gleichzeitig die Renten über Jahrzehnte. Durchaus nicht zwingend zum Vorteil der Versicherten. Und Änderungen am Gesetz benötigen jeweils viele Jahre Beratung, ohne Erfolgsgarantie. Und wenn dann eine Änderung mit bereits überholten Parametern beschlossen wird, sollen nochmals zehn oder mehr Jahre Übergangsfrist angehängt werden. Derweil steigt die Lebenserwartung ungebremst an und die Kapitalmärkte machen von Jahr zu Jahr grössere Sprünge. Das System passt längst nicht mehr zu den Realitäten. Die Rollen von Umwandlungssatz und Leistungsgarantie sind zu überdenken.

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Dass die Sozialpartner diese grundlegenden Fragen aufgreifen und neue Lösungen vorschlagen werden, ist nicht zu erwarten. Am gesetzlich fixierten UWS – einer rein versicherungstechnischen Grössen – hängt mittlerweile zu viel ideologischer und politischer Ballast, der kaum mehr abzuwerfen ist. Auch die mit viel Engagement und technischem Spürsinn entwickelten Modelle zu seiner Senkung sind letztlich Symptome des Problems und cachieren es zusätzlich. Die Sache ist dringend, warten wir ab.

Peter Wirth