Parteipäsidenten zur  Abstimmung

Blick

Das Resultat von heute ist auch eine empfindliche Niederlage für Innenminister Alain Berset. Er hat alles auf eine Karte gesetzt und mit List und Taktik diese Vorlage durchs Parlament gepeitscht. Er nahm keine Rücksicht auf FDP und Wirtschaftsverbände. Das hat sich im Abstimmungskampf gerächt.

Die Gegner wollen jetzt schnell einen Plan B vorlegen. Wohl eine Reform mit Rentenalter 65 und ohne Abfederung. Dafür müsste die Mehrwertsteuer weniger stark steigen. Die Rentensenkung in der 2. Säule würde an gleicher Stelle kompensiert. Tönt einfach. Aber bringt das Konzept auch Erfolg? Gewinnt man damit eine Mehrheit vor dem Volk?

Jetzt ist FDP-Chefin Petra Gössi am Zug. Mit der neuen Mehrheit im Bundesrat kann sie eine reine Kürzungsvorlage durchboxen. Dann kann sie zeigen, ob das Volk beim Plan B wirklich auch mitmacht. Denn nur mit einem Ja dürfen sich die Gewinner von heute auch wirklich als Sieger fühlen. Sonst tragen sie die grosse Verantwortung dafür, dass die Rentenfinanzierung in eine noch viel schlimmere Schieflage gerät.

NZZ – Jetzt muss das Rentenalter steigen (Stalder)
Der Plan, die erste und die zweite Säule in einem grossen Wurf gemeinsam zu stabilisieren, hat sich als untauglich erwiesen. Die Vorlage war zu kompliziert, überladen, in den Folgewirkungen kaum mehr abschätzbar und vor allem mit einer zu grossen Anzahl von Mängeln befrachtet, so dass sie aus unterschiedlichen Richtungen angreifbar war und sich so die Motive für die Ablehnung kumulierten.

Die Stimmberechtigten haben gemerkt, dass die Reform die AHV nicht nachhaltig stabilisiert hätte, dass sie die Finanzierungsprobleme des wichtigsten Vorsorgewerks hinausgeschoben und gar noch verschärft hätte. Und dass sie auf Kosten der Jungen und der nachfolgenden Generationen gegangen wäre. Vor allem aber die Erhöhung der AHV-Renten für alle Neurentner um 70 Franken hat sich als zu grosse Belastung erwiesen. Dieser Zuschlag, von SP und CVP durchgepresst, hatte die Vorlage im Parlament vergiftet und eine breitere Unterstützung verhindert. Nun hat das Volk die Quittung für dieses «Diktat» ausgestellt.
NZZ

Basler Zeitung –  Bersets Rückkehr zur Erde (Somm)
Das ist eine Niederlage, die Alain Berset (SP) verdient hat. Nie hat ein Bundesrat eine Vorlage derart offensiv, wenn nicht aufdringlich vertreten. Keiner ist so oft durch das Land getourt für seine AHV-Reform wie er, keiner hat so ungeniert gewarnt vor Sodom und Gomorra, wenn wir ihm nicht zustimmen, keiner hat sich so arrogant über jede Kritik hinweggesetzt, keiner hat sich je angemasst, den einen oder anderen gestandenen Wirtschaftsführer telefonisch auf Linie zu bringen, sollten sie sich das Recht herausgenommen haben, ihm zu widersprechen.


Dieser Mann hat sich überschätzt. Von einem Kompromiss wollte er nie etwas hören, auch wenn er fortwährend davon sprach, von Demut gegenüber dem Souverän war selten etwas zu spüren: dem heimlichen Star im Bundesrat – und das ist er ohne Zweifel dank elegantem, gescheitem Auftritt, geschliffener Sprache und zu enger Anzüge –, diesem Wunderkind der Linken sind die Grenzen der Macht aufgezeigt worden.
BaZ

Tages-Anzeiger –  Die nächste AHV-Reform wird rechts (Renz)
Nicht einmal Konturen einer Einigung sind für die zweite Säule auszumachen. Hier liegen selbst die Gewinner unter sich im Clinch: Die von der FDP eingebrachten Vorschläge, um die Rentenverluste auszugleichen, wurden vom Gewerbeverband als zu teuer abgelehnt.

In absehbarer Zeit rechnet hier kaum jemand mit einem realistischen, neuen Reformversuch. Bei der AHV dagegen scheint ein neuer Anlauf in neu-alter Konstellation denkbar: ein geschlossener Bürgerblock unter Einbezug der CVP gegen eine geschlossene Linke. Dies markierte insofern eine Rückkehr zur Normalität, als derselbe Frontenverlauf die Reformvorlagen von 2004 (AHV) und 2010 (berufliche Vorsorge) prägte. Die Volksabstimmungen wurden damals allerdings deutlich verloren. Karin Keller-Sutter ist aber zuversichtlich, dass ein Sieg gegen die Linke möglich ist: «Wenn wir eine gezielte soziale Abfederung einbauen, können wir es schaffen.»
TA