imageDie Handelszeitung hat Philip Gmür, CEO der Helvetia Versicherung,  interviewt. Dabei kam auch die Altersvorsorge 2020 zur Sprache. Auszüge:

Vor einer Woche wurde nach viel Hin und Her im Parlament die Rentenreform 2020 beschlossen. Sind Sie zufrieden?
Bei mir herrscht eine relative Unzufriedenheit. Auf der einen Seite bin ich zufrieden, dass es gelungen ist, einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Wir haben eine Angleichung des Rentenalters von Mann und Frau und der Umwandlungssatz sinkt. Richtig ist auch, dass die Leistungsreduktionen kompensiert werden.

Weshalb sind Sie unzufrieden?
Ich finde es falsch, dass die Kürzungen der zweiten Säule nicht dort kompensiert werden, sondern über eine Erhöhung der AHV-Renten. Und dann haben die Parlamentarier in letzter Minute zwei Bestimmungen zur Trennung von Risiko- und Sparprozess, die für uns No-Gos waren, wieder reingenommen. Die Versicherer hat man im Regen stehen lassen.

Es geht um eine Mischrechnung. Heute können Sie die Löcher beim Alterskapital über eigentlich zu hohe Risikoprämien stopfen. Das soll nicht mehr möglich sein. Die Risikoprämien sind nicht zu hoch.
Wenn wir gezwungen sind, diese Prozesse zu trennen, verlieren wir jedoch Gestaltungsmöglichkeiten. Das führt dazu, dass KMU vermutlich schlechtere Konditionen erhalten. Wir müssen aber die konkreten Auswirkungen erst noch analysieren.

Das heisst, Sie stellen sich allenfalls gegen die Reform?
Wir müssen eine Güterabwägung vornehmen. Und bevor wir das getan haben, kann ich die Vorlage nicht unterstützen.

Sie spielen mit dem Feuer. Seit Jahren verlangen Sie nach Reformen. Sie können sich ein Nein doch gar nicht leisten.
Diese Frage müssen wir uns genau so stellen. Aus Sicht des Werkplatzes Schweiz und der Jungen sind die 70 Franken mehr AHV-Rente aber eine enorme, zusätzliche Belastung.

Ihr Verband hat bis in die letzten Minuten gegen die erwähnten Bestimmungen gekämpft. Hat man Ihnen am Ende signalisiert: Ihr kriegt die Senkung des Umwandlungssatzes, also seid zufrieden?
Ich möchte nicht mutmassen, was dazu geführt hat, dass am Ende das bürgerliche Lager von FDP und SVP gekippt ist.

Normalerweise sind das Ihre Parteien.
Wir wurden vom Sinneswandel überrascht. Es ist aber wichtig, dass wir eine Rentenreform haben, die beim Volk auf Akzeptanz stösst. Die Zeit läuft gegen uns.

Wie viele Ihrer Probleme löst die geplante Senkung des Umwandlungssatzes?
Nur einen Teil. Auch die Senkung auf 6 Prozent ist ein politischer Kompromiss. Wir haben dazu Hand geboten, haben aber auch immer gesagt, dass ein mathematisch korrekter Umwandlungssatz zwischen 5 und 5,5 Prozent liegen müsste. Heute fehlen im Schnitt 40’000 Franken pro Neurentner. Mit dem neuen Umwandlungssatz sind es immer noch 24’000 Franken. Das ist also erst der halbe Weg.

Und woher nehmen Sie die 24 000 Franken, wenn die heutige Mischrechnung nicht mehr möglich sein wird?
Die laufenden Renten werden durch die Erwerbstätigen subventioniert. Ihre Altersguthaben können weniger hoch verzinst werden als bei einem korrekten Umwandlungssatz.

Wie lange können wir es uns noch leisten, nicht über ein höheres Rentenalter zu reden? Wann kommt die Rente mit 67?
Es ist klar, dass auf diese Reform weitere folgen werden. Das Referenzalter 65 geht noch immer auf den Beschluss des Deutschen Reichstages von 1916 zurück, als lediglich drei von zehn Erwerbstätigen dieses Alter überhaupt erreichten. Heute ist es gerade umgekehrt. Nicht einmal zwei von zehn Schweizern sterben vor 65. Das zeigt, dass 65 eine willkürliche Zahl ist, über die man reden muss. Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten, wie das Rentenalter festgelegt und entpolitisiert werden könnte. Das muss keine fixe Zahl sein.

Sie befinden sich in einem Korsett aus Mindestzins, Kapitalvorschriften und Anlagerichtlinien. Wie viel mehr Zins könnten Sie den Versicherten gutschreiben, wenn Sie weniger strenge Regeln hätten?
Das lässt sich nicht exakt beziffern, aber wir könnten bestimmt deutlich mehr erwirtschaften. Die heutigen Vorschriften haben zudem noch eine weitere Nebenwirkung: Sie führen dazu, dass alle Versicherer ihr Kapital gleich anlegen. Daraus entstehen systemische Risiken.

Rudelbildung im Asset Management?
Ja. Alle fahren sehr tiefe Aktienquoten im mittleren einstelligen Prozentbereich. Damit profitierten wir vom Aktienboom der letzten Jahre nur bedingt. Und wir sind gezwungen, in langlaufende Obligationen zu investieren. Gleichzeitig setzen alle auf solide Immobilien und Hypotheken.