bger(awp/sda) – Das Bundesgericht hat das passive Verhalten der Kontrollstelle der BVG-Sammelstiftung «First Swiss Pension Fund» als grobfahrlässig und schuldhaft bezeichnet. Das Unternehmen haftet deshalb für mehrere der insgesamt 30 Mio CHF an Vorsorgegeldern, die verschwunden sind.

Die Stiftungsräte hatten ein kompliziertes Firmenkonglomerat um die Sammelstiftung herum geschaffen, in welchem 30 Mio CHF versickerten. Nur rund drei Jahre nach deren Eintragung im Handelsregister Zug griff das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) als Aufsichtsbehörde ein und suspendierte die acht Stiftungsräte.

Neben den Stiftungsräten und weiteren Personen haftet auch die Kontrollstelle für die verschwundenen Vorsorgegelder, wie aus dem am Donnerstag publizierten Urteil des Bundesgerichts hervorgeht.

Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die Revisionsstelle allein aufgrund des komplizierten Firmengebildes und der sich daraus ergebenden überlappenden Verantwortlichkeiten besonders aufmerksam hätte sein müssen.

Sie war nämlich gleich bei mehreren dieser Firmen Kontrollstelle und wusste deshalb von der vorliegenden Komposition.

Dennoch wurde man bei der Revisionsstelle nicht hellhörig, als die Stiftung für die Jahresrechnung 2003/2004 keinen Beleg für ihr Hauptaktivum in der Höhe von 18,6 Mio CHF vorlegen konnte. Mehrmals wurden ungenügende oder untaugliche Belege ausgestellt.

Gemäss Bundesgericht hat die Kontrollstelle das Risiko bei der Stiftung völlig falsch eingeschätzt, grundlegende Abklärungen nicht gemacht und die Buchhaltung ungenügend geprüft.

Die Passivität kommt die Stelle teuer zu stehen: Sie haftet zusammen mit weiteren solidarisch für eine Summe von total 5,2 Mio CHF.

Kommentar von Dr. Hermann Walser

Das Urteil wirkt zwar relativ spektakulär. Die Versäumnisse der Revisionsstelle sind aber doch so krass, dass es absolut verständlich ist. Interessant ist die Feststellung des Bundesgerichts, dass der Umstand, dass obwohl das BSV (es war Aufsichtsbehörde) der Vorsorgeeinrichtung für die ordentliche Berichterstattung diverse Fristerstreckungen gewährte, die Revisionsstelle nicht von ihrer (fortzuführenden) Prüfungspflicht in Bezug auf die Jahresrechnung entbindet.

Mit sind keine anderen Fälle von Verurteilungen von Revisionsstellen wegen Fahrlässigkeit bekannt.

Für die Pensionsversicherungsexperten interessant ist das vom Bundesgericht im gleichen First Swiss Konnex am gleichen Tag gefällte Urteil gegen den PK-Experten. Es handelt sich um das Urteil 9C_248/2014, veröffentlich in der Amtlichen Sammlung als BGE 141 ff. 71 ff. Das Gericht hat befunden, dass der Experte aufgrund des von  der PK verfolgten Anlagekonzepts die Bankgarantie, welche der Absicherung der Vorsorgegelder und der Verzinsung diente, hätte überprüfen müssen. Bisher ging man etwas vereinfachend davon aus, dass der Experte nur die Passivseite der Bilanz (mit den Verpflichtungen) zu überprüfen hat, nicht aber die Aktivseite mit den Vermögensanlagen (denn hier ist es Sache der Revisionsstelle, das Vorhandensein der Anlagen und deren BVG-Konformität zu prüfen). Das hat das Bundesgericht nun anders gesehen. Dies sicher in der besonderen Konstellation des First Swiss Konstrukts. Es ist nun zu sehen, ob und inwieweit das Urteil zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Revisoren und Experten führen wird.

Urteil BGer