Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel befasst sich in seinem Blatt mit der SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen, laut Köppel eine der “wortreichsten Kritikern des aus ihrer Sicht zu laschen schweizerischen Steuerrechts”. Allerdings stellen sich da offenbar einige Fragen. “Nun zeigen Recherchen der Weltwoche, dass die SP-Nationalrätin aus dem noblen Berner Vorort Bolligen weit weniger versteuert als die von ihr pauschal angefeindeten Pauschalierten. Gemäss dem letzten Steuerausweis (2011) ist die Sozialdemokratin eine Vermögensmultimillionärin ohne steuerbares Einkommen. Zusammen mit ihrem Ehemann Alfred verfügt sie über ein steuerbares Vermögen von 12,35 Millionen Franken bei einem Einkommen von null Franken. Ist die Kritikerin der Steueroptimierung selber steueroptimiert?” Die Erklärung: Grund dafür ist ein massiver Einkauf ihres Mannes in die Pensionskasse.

Köppel: “Wir kommen des Rätsels Lösung näher: Wenn sich ein Unternehmer mit einem Vermögen von 12 Millionen Franken in die Pensionskasse einkauft, dann tut er das nicht, weil er ­seine Altersvorsorge absichern will. Er tut es, weil er Steuern sparen will. Jemand, der über ­eine Firma verfügt, die jährlich über eine Million Gewinn abwirft, und der ein steuerbares Vermögen von über 12 Millionen Franken ausweist, muss nicht wenige Jahre vor der Pension ein paar hunderttausend Franken in die PK einzahlen, weil er um seinen Altersbatzen fürchtet.

Nach Angaben seiner Ehefrau zahlte Alfred Kiener Nellen 400 000 Franken in die zweite Säule ein. Da dieser Einkauf abzugsfähig war, resultiert die für 2011 ausgewiesene Einkommensnull. Pikant: Ohne Einkauf in die PK wären im Kanton Bern auf den 400 000 Franken rund 35 Prozent Einkommenssteuern fällig geworden, also rund 142 000 Franken. Diesen Betrag haben die Ehegatten Kiener Nellen durch den PK-Einkauf an ­Steuern satt gespart.”

Update: An einer Pressekonferenz bestätigte Kiener Nellen die Darstellung der Weltwoche. Die NZZ schreibt dazu: “Einen Tag, nachdem ihre private Steuersituation bekannt geworden ist, hat Margret Kiener Nellen die Flucht nach vorn angetreten. An einer Medienkonferenz im Bundeshaus legte die Berner SP-Nationalrätin nicht nur die Steuerzahlen von sich selber und ihrem Ehemann offen, sondern auch die Steuerfaktoren der Firmen ihres Ehemannes. Mit dieser Transparenz-Offensive reagiert Kiener Nellen auf die Kritik am Umstand, dass sie und ihr Mann im Jahr 2011 null Franken Einkommen versteuert hatten – und dies bei einem Vermögen von über 12 Millionen Franken.

«Mir ist klar, dass ein Einkommen von Null bei einer linken Politikerin viele Fragen aufwirft», sagte Kiener Nellen vor den Medien. Sie hätte den Steuerabzug «nie zulassen dürfen» und diesbezüglich gegenüber ihrem Mann «energischer einschreiten» sollen. Ein solcher (legaler) PK-Abzug, versicherte die Politikerin, werde weder sie selber noch ihr Mann je wieder vornehmen.“

Update 2: Auch die Website von SRF befasst sich mit dem Thema. Dort heisst es u.a: “Die Ironie der Geschichte: Heute steht Kiener Nellen selber für ihre Steuerkniffs in der Kritik. Ob die Kämpferin gegen Steuerschlupflöcher aller Art nun einen neuen Vorstoss wagt, um die Einkaufsmöglichkeiten bei den Pensionskassen zu begrenzen, bleibt vorerst offen.

Klar dagegen wäre Hanspeter Konrad vom Pensionskassenverband. Aber auch er sagt: «Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, dass sich Versicherte durch eine rein steuerlich motivierte, vorübergehende Platzierung von Geldern in der zweiten Säule keine steuerlichen Vorteile verschaffen sollen.» Im Klartext: Auch die Pensionskassen missbilligen, wenn Gutverdienende die Altersvorsorge zur aggressiven Steueroptimierung missbrauchen.”

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