Auf der Website des Arbeitgeberverbands äussert sich Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger zur Altersvorsorge 2020 und insbesondere zum vorgeschlagenen Zuschlag von 70 Franken für Neurentner. Auszüge:

Die Reform der Altersvorsorge ist eines der wichtigsten innenpolitischen Geschäfte derzeit. Wieso genau?
Mit einer Flexibilisierung des Rentenalters würden wir die älteren Arbeitnehmer mehr wertschätzen. Heute ist mit 64 bzw. 65 Jahren Schluss; das ist entmündigend. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möchten und könnten noch länger arbeiten. Das hat nicht zuletzt einen positiven Gesundheits- und Sozialisierungseffekt: Wer länger arbeitet, bleibt gesünder und gesellschaftlich integriert. Ich finde es unglücklich, dass bei dieser Reform das Naheliegende – eine Erhöhung des Referenz-Rentenalters – tabuisiert wird. Last but not least hat die Altersvorsorge-Reform einen staatspolitischen Aspekt. Die zentrale Frage lautet hier: Ist unser Staat in der Lage, wichtige Reformen rechtzeitig und zuverlässig auf den Weg zu bringen?

Nun will der Ständerat die AHV-Renten erhöhen – künftige AHV-Rentner sollen monatlich 70 Franken mehr erhalten. Warum ist dieser Leistungsausbau problematisch?
Zunächst: Dieser Ausbau ist nicht finanziert. Der Ständerat vergrössert damit das Finanzloch in der AHV per 2030 um 1,4 Milliarden Franken pro Jahr. Die demografische Alterung sorgt zudem für eine ungesunde Dynamik: Bereits 2035 kostet uns dieser Leistungsausbau jährlich 2,1 Milliarden. Das zweite Problem: Der Rentenausbau erfolgt per Giesskanne und damit nicht zielgenau; Leute mit mittleren und hohen Löhnen haben keinen Bedarf – und für Leute mit tiefem Einkommen ist die Rentenerhöhung ein Nullsummen-Spiel.

Sie erwähnten es: Der Rentenausbau ist auch für Bezüger von Ergänzungsleistungen ungünstig. Warum genau?
Der Ausbau schiesst wie gesagt am Ziel vorbei. Leuten mit tiefem Einkommen werden die Ergänzungsleistungen um 70 Franken gekürzt. Unter dem Strich erhalten diese sogar weniger als vorher. Denn: Das Mehr an Rente muss versteuert werden – im Gegensatz zu den Ergänzungsleistungen. Und diejenigen, welche die 70 Franken nicht benötigen, die mittleren und oberen Einkommen, erhalten sie trotzdem. Der Leistungsausbau führt also zu einer Umverteilung von unten nach oben. Das ist grotesk.

Wie sieht in Ihren Augen eine zukunftsfähige Reform der Altersvorsorge aus? Anders gefragt: Was müssen wir tun, um unsere heutigen Renten zu sichern?
Wir müssen das Rentenalter der gestiegenen Lebenserwartung anpassen und auf 67 Jahre erhöhen. Parallel dazu müssen wir aber auch mehr Einnahmen generieren – über eine Anhebung der Lohnbeiträge oder der Mehrwert-Steuer.

Arbeitgeberverband