In der NZZ stellt Hansueli Schöchli Ueberlegungen zum Entscheid des Bundesrats an, trotz der schwierigen Lage auf den Finanzmärkten den Pensionskassen einen Mindestzins von 1% vorzuschreiben. “Die Schweizer Politik kann den Pensionskassen keine Anlagerendite verordnen. Aber sie tut so, als könne sie dies. Der Entscheid des Bundesrats zur Mindestverzinsung für 2023 ist das jüngste Beispiel.” Weiter hält er fest:

Angesichts der derzeitigen Finanzlage der Pensionskassen scheint jede positive Mindestverzinsung eher offensiv zu sein. Gemessen an Branchenindizes dürften die zu Jahresbeginn hohen Reserven der Kassen wegen grosser Verluste an den Finanzmärkten bis heute im Durchschnitt weggeschmolzen sein.

Diese Einschätzung teilt auch Stephan Wyss, Pensionskassenexperte der Beratungsfirma Prevanto. Laut Wyss dürften bei den derzeitigen Bewertungen von Aktiven und Verpflichtungen etwa 40 Prozent der Kassen eine Finanzierungslücke haben.

Weshalb will also der Bundesrat trotzdem allen Kassen eine positive Mindestverzinsung vorschreiben? Die bequeme Antwort: Er folgt der Empfehlung der BVG-Kommission, einem Beratungsgremium, in dem die Sozialpartner, Branchenvertreter und externe Fachleute sitzen.

Auch dieses Gremium ist allerdings politisch gefärbt. Es benutzt zwar eine technische Formel als Basis, weicht aber oft davon ab – und dies eher nach oben als nach unten. Die Bandbreite der Vorschläge der einzelnen Kommissionsmitglieder für 2023 reichte von 0,25 bis 1,5 Prozent, die technische Formel hatte 0,45 Prozent angezeigt.

Es scheint so etwas wie ein politisches Zinsminimum von 1 Prozent zu geben. Frühere Formeln beruhten stark auf der Rendite der langfristigen Bundesobligationen; als sie unangenehm tiefe Ergebnisse auszuspucken begannen, beschloss die BVG-Kommission eine neue Formel. Diese berücksichtigte verstärkt andere Anlageklassen wie Aktien und versprach damit im Mittel höhere Werte.

Die neue Formel wird seit 2018 verwendet. Doch bisher lag die Empfehlung der Kommission in drei von fünf Fällen über dem Ergebnis der neuen Formel und nur einmal darunter. Und in jenen zwei Fällen, in denen die Kommission einen Mindestzins von unter 1 Prozent empfahl, legte der Bundesrat die Marke dennoch auf 1 Prozent fest.

  NZZ