imageCash hat Hansruedi Scherrer, VR-Präsident und Partner von PPCmetrics, zu den Folgen der Corona-Krise für die Pensionskassen befragt. Auszüge:


cash: Wie tangiert die Krise die Pensionskassen?

Hansruedi Scherer: Der offensichtlichste Einfluss zeigt sich bei den Anlagen. Die meisten Pensionskassen haben zwischen 25 und 45 Prozent Aktienanteil und noch weitere risikobehaftete Anlagen. Nach dem Absturz und der teilweisen Erholung am Aktienmarkt liegen die Renditen nun zwischen minus 5 und minus 10 Prozent. Nach einer Reihe von guten Jahren mit guten Renditen können dies die meisten Pensionskassen noch verkraften.

Also stellt der Absturz der Aktienmärkte von den Rekordhochs im Februar kein fundamentales Problem dar?
Die Vermögensverwaltung ist in solchen Phasen deutlich erschwert. Bei der hohen Volatilität mit Aktienindexbewegungen von bis zu 10 Prozent an einem einzelnen Tag war es zum Teil schwierig, Investitionsentscheidungen umzusetzen. Viele Marktteilnehmer übersehen zudem, dass nicht nur die Aktienkurse nach unten gestürzt, sondern auch die Risikoprämien nach oben gegangen sind. Mit High-Yield-Anleihen konnte man in den vergangenen Wochen ähnlich viel verlieren wie mit Aktien. Auch die Spreads bei Unternehmensanleihen sind gestiegen und die Liquidität vieler Märkte war extrem tief.


Wie trifft die Krise die Pensionskassen ausserhalb der Anlagethematik?

Unterschätzt wird der so genannte Zweitrunden-Effekt. Restrukturierungen und Entlassungen in den Unternehmen können zu Strukturveränderungen bei den Pensionskassen führen. Die Altersstruktur, also das Verhältnis von Versicherten zu Rentenbezügern, kann dadurch für die Pensionskasse ungünstiger werden. Deswegen kann die eine oder die andere Vorsorgeeinrichtung an Risikofähigkeit einbüssen. Dies würde bedeuten, dass etwa die Aktienanteile gesenkt werden müssten.


Wird der gefürchtete «Sanierungsbeitrag» durch die Versicherten wieder mehr zum Thema?

Das wird am einen oder anderen Ort zum Thema werden. Die meisten Pensionskassen werden aber zunächst keine Sanierungsmassnahmen einleiten, sondern eine Nullverzinsung beschliessen. Das ist natürlich eine «sanftere» Massnahme für die meisten Beteiligten.

Wird die Nullverzinsung breit angewandt werden?
Wenn wir Ende Jahr eine Finanzmarktsituation ähnlich wie Ende März haben werden, wäre ich erstaunt, wenn nicht vielerorts eine Nullverzinsung beschlossen würde. Angenehm ist das nicht, aber bei minus 10 Prozent Rendite wird auch nichts verteilt werden können.

Dann müssten die Pensionskassen ja nur auf eine Erholung der Finanzmärkte warten, die ja mit der Zeit eintreten wird.
Das Grundproblem ist eigentlich nicht der Crash dieses Jahres. Das Grundproblem ist, dass ein grosser Teil der Erträge der vergangenen Jahre für Nachreservierungen zugunsten bestehender Renten und zur Deckung der Pensionierungsverluste benötigt worden sind. Etwas überspitzt formuliert blutete dies die Pensionskassen aus. Die ökonomischen Deckungsgrade der Kassen müssten nach der langen Boom-Phase eigentlich deutlich höher sein als sie es effektiv sind.


Der so genannte obligatorische Teil des Lohns von Einkommen zwischen 21’330 und 85’320 Franken wird auf politischen Beschluss hin einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent verzinst. Pensionskassen fordern seit Jahren schon einen tieferen Satz. Wird sich hier etwas ändern?

Es ist ein Versäumnis aller Akteure in der zweiten Säule, dass die Problematik der Umwandlungssätze nicht besser kommuniziert worden ist. In den guten Börsenjahren empfand man dies auch nicht als dringend notwendig. Versicherte wissen als Folge davon aber oft nicht, wie die Rente genau finanziert wird. In der kurzen Frist kann man dies jetzt nicht einfach «nachkommunizieren».

Also würde ein tieferer Umwandlungssatz in einer Volksabstimmung nach wie vor abgelehnt, wie dies 2010 der Fall war?
Die Krise müsste wohl noch einiges grösser sein, dass beim Thema Umwandlungssatz ein Umdenken stattfindet. Dennoch: Ein korrekter Umwandungssatz ohne Quersubventionierung der Aktiven zu den Rentnern läge heute wohl bei etwa 3,7 Prozent.

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