In den letzten Tagen war viel von Kuhhandel zu lesen. Eigentlich ein Affront gegen unsere Bauernsame. Denn was sich im Ständerat bei der Verkoppelung von Steuern und AHV abgespielt hat, ist damit ganz unzutreffend charakterisiert. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Deal klar als Schutzgelderpressung der Linken, welche das nicht ganz zuverlässige Versprechen abgegeben haben, dafür auf ein Referendum gegen die SV17 zu verzichten. Es wird zwar versucht, das als Geschäft auf Gegenseitigkeit anzupreisen, aber davon kann keine Rede sein.

Verschiedentlich wurde die Meinung vertreten, das Vorgehen sei «sehr pragmatisch» (TA). Das ist Ansichtssache. Der Erpresste hat abzuschätzen, wie hoch sein Risiko ist und wie viel er für dessen Beseitigung auszugeben bereit ist. Falls der potenzielle Schaden deutlich über der erpressten Leistung liegt und die Eintretenswahrscheinlichkeit des Schadenfalls nahe 100 Prozent, könnte man die Bezahlung durchaus pragmatisch nennen. Allerdings hat die rationale Beschönigung eine unschöne Kehrseite. Auf dieser stehen so hässliche Begriffe wie Feigheit, Opportunismus, Prinzipienlosigkeit.

Es handelt im Kern zwar um eine pervertierte Form von Versicherungsprämie, doch sollten sich beide Seiten über die Natur des Geschäfts keine Illusionen machen und es vor allem nicht als Gegenfinanzierung, Kompromiss oder sonstige Mogelpackung verkaufen. Der Adressat dieser Taktiken, das angeblich tumbe Volk, durchschaut solche Spielchen nämlich oft schneller als der classe politique lieb sein kann. Und reagiert erst mit Unglauben, dann mit Verärgerung und Verachtung und legt schliesslich ein Nein in den Briefkasten.

Denn die Genfer Genossen und erwartungsgemäss auch die Jungbolschewiken haben bereits mit dem Referendum gedroht und auch die GLP will das Doppelpaket vors Volk bringen, falls es so durch den Nationalrat geht. Allerdings muss man sich bei Letzteren auf riskante Wendemanöver kurz vor der Zielgeraden gefasst machen. Immerhin besteht Hoffnung, dass dem Souverän die Chance gegeben wird, sich zum Paket zu äussern. – Eigentlich blöd, weil der Versuch, das Referendum zu verhindern, genau der Anlass für ein Referendum sein könnte.

Was soll man sonst noch zu diesem «Deal» sagen, ausser dass er gegen die guten Sitten verstösst? Klar ist, dass damit die AHV-Reform torpediert und absehbar auch die BVG-Reform schwer in Mitleidenschaft gezogen wird. Also massive Kollateralschäden verursacht, die man unter der Bundeskuppel locker hinzunehmen bereit scheint. Man tut einen Schritt und kümmert sich keinen Deut um die damit vorgespurten zweiten und dritten Schritte. Der Horizont reicht genau bis zu den nächsten Wahlen: Nach uns die Sintflut, wie einst Madame de Pompadour nach der Schlacht bei Rossbach ausgerufen hat. Die Frau hatte Nerven.

Peter Wirth, E-Mail