Erich Solenthaler zeigt im Tagesanzeiger vom 14.11.11 den Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Unternehmen und den Leistungen ihrer Pensionskassen auf. Dabei verweist er auf die den Volkswirtschaftern wohlbekannte, sonst aber offenbar kaum bewusste Abhängigkeit der Zinsen vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt. Der Realzins kann nicht höher sein als die Produktivitätszunahme innerhalb einer beliebigen Zeitspanne. Das gilt strenggenommen, wäre anzufügen, für sog. geschlossene Volkswirtschaften, also ohne Aussenbeitrag. Anzufügen wäre ebenfalls, dass ein höherer resp. tieferer Realzins zu einer Umverteilung zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital führt. Das geht üblicherweise für eine gewisse Zeitspanne, führt aber früher oder später zu Spannungen, die eine Korrektur verlangen. Weil aber der Produktivitätsfortschritt in den meisten Ländern zwischen 1 und bestenfalls 2 Prozent liegt, beruhen die Hoffnungen auf höheren Zinsen nur auf einer gleichzeitig steigenden Inflation. Es ist auch völlig unerfindlich, woher ein höherer Zinsertrag sonst kommen sollte. Wenn gewisse Vorsorge-Exponenten (links und rechts) meinen, die aktuelle (reale) Tiefzinsphase müsste quasi eigengesetzlich früher oder später wieder höheren Erträgen weichen, dann ist das entweder reines Marketing (politisch oder kommerziell) oder noch wahrscheinlicher einfach das, was in Fachkreisen als Voodoo-Ökonomie bezeichnet wird.

Die Folgen der geringen Kapitalerträge spüren die Vorsorgeeinrichtungen bereits heute. Solenthaler schreibt: “Nach Auffassung von Andreas Busch, Senior Economist der Bantleon-Bank in Zug, ist diese Hoffnung aber trügerisch. «Die jährlichen Beiträge der Produktivitätsfortschritte an die Wirtschaftsleistung sind schon in den zurückliegenden Jahrzehnten in den Industrieländern kontinuierlich geschrumpft», sagt Busch. Früher schätzte man sie für Deutschland auf 5 bis 6 Prozent, heute liegen sie bei 1 bis 2 Prozent. In der Schweiz gehen Volkswirtschafter von einem Produktivitätswachstum von etwa 1 Prozent aus.

Für Pensionskassen bedeutet die These über die geringere Produktivitätszunahme, dass sie mit geringeren Renditen rechnen müssen. Eine solide Planung ermöglicht Zinsen von 1 bis 1,5 Prozent (plus Teuerung). Auf mehr zu setzen, kommt einer Spekulation gleich und wird sich irgendwann rächen. Es wird auch weiterhin Zinszyklen geben: In einer starken Konjunktur können die Zinsen über das Normalmass steigen – ebenso wird es auch zu Perioden mit noch tieferen Zinsen kommen.”

 Artikel Solenthaler