Die von einer Expertengruppe entwickelte und vom Bundesrat übernommene Neuordnung der Besteuerung der Leistungen aus 2. und 3. Säule ist auf verbreitete Kritik gestossen. Jetzt liegt ein bestechender Vorschlag auf dem Tisch, der berechtigte Kritik an der jetzigen Form der Besteuerung von PK-Leistungen aufnimmt, gleichzeitig aber das System stark vereinfacht und für die Versicherten zahlreiche Vorteile aufweist. Entwickelt wurde es von Reto Spring, Präsident des Finanzplanerverbands, und Reto Leibundgut, PK-Experte C-alm. Die NZZ schreibt dazu:
In politisch linken Kreisen werde die Möglichkeit, mit der Auszahlung von grösseren Kapitalleistungen Steuern zu sparen, als «Steuerumgehung» interpretiert, sagt Spring. Dabei gehe allerdings vergessen, dass die Ersatzquote gerade bei Gutverdienenden mit Einkommen von 100 000 Franken brutto oder mehr pro Jahr in den vergangenen Jahren unter 50 Prozent gesunken sei, sagt Spring. Mit der Ersatzquote sind die Renten aus AHV und Pensionskasse nach der Pensionierung gemeint.
Ersatzquoten von unter 60 Prozent sind heikel. Aus der Schweizer Verfassung wird eine Ersatzquote in dieser Höhe abgeleitet. In ihr steht, die Renten aus der ersten und der zweiten Säule der Altersvorsorge sollten zusammengerechnet im Ruhestand ermöglichen, den gewohnten Lebensstandard fortzusetzen. «Wer die Ersatzquote wieder verbessern möchte, sollte also Anreize zum zusätzlichen Vorsorgesparen in der zweiten und dritten Säule fördern», sagt Spring. (…)
Aus seiner Sicht hat sich bei der Besteuerung von Vorsorgegeldern mit den zunehmenden Kapitalbezügen bei Pensionskassengeldern und dem Gaillard-Bericht ein «gordischer Knoten» gebildet. Zusammen mit Reto Leibundgut von dem Beratungsunternehmen C-alm hat Spring einen Vorschlag entwickelt, um diesen Knoten zu lösen. Der Vorschlag sieht folgende Punkte vor:
- Die Besteuerung der Säule 3a solle beibehalten beziehungsweise ausgebaut werden.
- Für den Bezug von Pensionskassengeldern fordern die beiden Experten einen Systemwechsel. Beim Eintritt in den Ruhestand solle das angesparte Kapital einmalig und einheitlich besteuert werden. Als Diskussionsgrundlage wäre hier ein Steuersatz von 10 Prozent denkbar, sagt Spring. Es könne aber auch etwas mehr oder weniger sein.
- Heute gibt es grosse Unterschiede bei der steuerlichen Belastung je nach Kanton und der Höhe des ausbezahlten Betrags. Die Experten schätzen die Bandbreite der gesamten Steuerbelastung bei Kapitalbezügen aus der Pensionskasse auf zwischen 4 und 12 Prozent.
- Die von Spring und Leibundgut vorgeschlagene Steuer unterläge keiner Progression, sie wäre unabhängig von Pensionskasse und steuerlicher Ansässigkeit ausgestaltet und könnte direkt von der Vorsorgeeinrichtung erhoben und abgeführt werden.
- Der Restbetrag wäre dann steuerfrei – egal, ob er als Kapital, als Rente oder als Mix bezogen würde. Denkbar wäre laut den Experten auch, das System auf Auswanderer auszuweiten. Viele AHV-Rentner leben im Ausland.
- Die Vorteile ihres Vorschlags sehen Spring und Leibundgut darin, dass alle Versicherten gleich lange Spiesse hätten. Aus ihrer Sicht gäbe es dann keine «Schlupflöcher» für Topverdiener. Sie schätzen, dass 95 Prozent der Rentner mit dieser Lösung eine Vereinfachung hätten.
- Zudem würde auch Fehlberatungen ein Riegel vorgeschoben. «Die Frage ‹Rente oder Kapital› könnte neutral und auf Kundenbedürfnisse abgestellt beantwortet werden», teilen sie mit. «Die BVG-Rente wäre steuerfrei, dadurch würde im Rentenalter die Steuerbelastung für alle sinken.»
- Offen ist noch, wie mit bestehenden Rentnern verfahren werden soll: «Der Logik und Einfachheit halber könnte ihr verbliebenes BVG-Kapital per Stichtag X der gleichen Steuer unterliegen, und infolgedessen könnten künftige Renten steuerfrei bleiben.» (…)
Eine Umsetzung des Vorschlags von Spring und Leibundgut könnte dazu führen, dass es für Versicherte wieder attraktiver wird, bei der Pensionierung die lebenslange Rente anstatt des Kapitals zu wählen. Zweifellos ist es im Interesse von privaten Haushalten, den Lebensunterhalt über lebenslang ausgezahlte Renten zu sichern – gerade auch im höheren Alter wird es schliesslich immer schwieriger, Kapital selbst zu verwalten.
«Zudem ist es volkswirtschaftlich vorteilhaft, keine falschen Anreize zu schaffen, das Vermögen vorzeitig zu verbrauchen und später dem Sozialstaat zur Last zu fallen», sagt Spring.
Weil die Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung seit Jahrzehnten zunimmt, dürfe auch nicht verschwiegen werden, dass viele Pensionskassen und grosse Versicherungen nicht unglücklich über Kapitalbezüge von Versicherten seien, sagt Spring. Sie wollten das «Langlebigkeitsrisiko» nicht mehr in der Bilanz stehen haben. Fest steht aber, dass die Übernahme dieses Risikos zu den ureigenen Aufgaben einer Vorsorgeeinrichtung gehört.
NZZ
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