Bersets runder Tisch zur Neuauflage der Rentenreform war rechteckig, 27 geladene Institutionen durften je 5 Minuten ihre Sicht der Dinge darlegen, nach 4 Minuten wurde die gelbe, dann die rote Karte gezeigt, Diskussion wurde nicht verlangt. Berset füllte 17 Seiten mit Notizen, nach 2 Stunden war der Spuk zu Ende. Das Resultat? Schulterzucken und Frust. Der grosse Zampano hatte seinen Zirkus. Dann eilte er zur Pressekonferenz, wo er seinen wirksamen Medienauftritt hatte. Alle machten bereitwillig mit. Wer nicht geladen war, schrieb beleidigte Briefe nach Bern.

Gebracht hat es wenig bis nichts. Befriedigt stellte Berset fest, dass kaum Gemeinsamkeiten zwischen den Beteiligten bestünden. Da aber alle geladen waren, Linke und Rechte, Junge und Alte, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Konservative und Progressive, Schwarze und Rote, war absehbar, dass der Saldo der Positionen Null ergeben musste. Was den Magistraten wohl zum Fehlschluss verleitete, dass es ohne ihn nicht gehe. Dass er – «hochmotiviert» – weiterhin den Ton angeben könne.

Dazu fehlt es im leider an Glaubwürdigkeit. Seine Warnung an die Jungen, falls sie nicht spurten und der AV2020-Vorlage zustimmten, würden sie vielleicht nie AHV bekommen, wird man so rasch nicht vergessen. Selten dumm, was er da gezielt im Tages-Anzeiger von sich gegeben hat. Mit der einseitigen und kompromisslosen Unterstützung der SP/CVP-Lösung hat er auch als Politiker eine Schlappe erlitten. So falsch darf man die Lage nicht einschätzen, wenn man nicht an Einfluss verlieren will.

Das gilt auch für die massgeblichen Unterstützer der Vorlage bei der CVP. Etwa Konrad Graber, der im Ständerat eisern das Paket vertrat, bärbeissig und mit gezielten Giftpfeilen gegen FDP und SVP. Als Kommissionspräsident dominierte er die Bühne. Seine Niederlage in der Volksabstimmung hat er gut verdaut – und anscheinend auch etwas gelernt. Falls an der Rentenaltererhöhung für Frauen festgehalten werde, liess er verlauten, müssten von der erzielten Einsparung 50 bis 100% «kompensiert», sprich sofort wieder ausgegeben werden. Das ist immerhin ein Fortschritt. Als AV2020-Befürworter wollte er noch 120% «kompensieren».

Wie sieht es bei den Linken aus? Dort geben jetzt die Jusos den Ton an. Sie wollen vor allem eines nicht: Rentenalter 65/65. Das sind Leute Anfang zwanzig. Ihr Horror? Offenbar dereinst bis 65 arbeiten zu müssen, selbst wenn das in einem wohldotierten Staatsjob mit Beschäftigungsgarantie sein sollte. Vielleicht sollten sie einmal einen Geschäftsausflug nach China oder Indien machen, um eine Ahnung von der globalen Konkurrenz zu bekommen, die uns den Wohlstand streitig machen wird.

Ein anderer Abstimmungsverlierer, Paul Rechsteiner, fährt auf der gleichen Schiene. Sein SGB stellt sich jetzt gleichfalls vehement gegen das Frauenrentenalter 65. So steht es wenigstens im Grossgedruckten der Delegierten-Resolution. Doch wie lautet die biblische Weisheit? The big print giveth, the small print taketh. Das Kleingedruckte aber verschweigt Rechsteiner. Dort steht nämlich, dass nur so viel verteilt werden kann, wie eingenommen wird. Und wenn die Rechnung nicht aufgeht, muss man ans Eingemachte oder Schulden machen. 64/65 kostet eine Menge und jedes Jahr mehr. Und es wird kein Manna vom Himmel fallen, das zu finanzieren.

Müssten die Jusos eigentlich merken, dass es letztlich auf ihre Kappe geht. Aber da sie Politik als Event-Marketing verstehen, haben sie kaum Interesse an solch konservativer Erbsenzählerei. Klar, wer will sich schon die Party wegen ein paar fehlender Milliarden versauen lassen?

Peter Wirth