Jürg Walter, Chef des Beratungsunternehmens Libera, erklärt in einem Interview mit der Finanz und Wirtschaft, woran Pensionsversicherte eine unvorsichtige Bilanzierung ihrer Kasse erkennen können. Auszüge:
Herr Walter, wie steht es wirklich um die schweizerischen Pensionskassen?
In der Medianbetrachtung hat sich der jährliche Anlageertragsbedarf der von uns untersuchten Pensionskassen vermindert, weil die fixen Rentenverpflichtungen zu einem niedrigeren Rechnungszins und folglich vorsichtiger bilanziert werden. Wegen der vielfach noch immer zu hohen Umwandlungssätze resultieren dennoch in vielen Kassen jährlich Pensionierungsverluste, die den Reserven angelastet werden. Solche Vorsorgeeinrichtungen laufen ein mittleres Betriebsrisiko. Eine hohe Gefährdung erkennen wir in der Rentnerlastigkeit eines Teils der Kassen. Sie hat negative Cashflows zur Folge und beeinträchtigt es, eine Sanierung zu bestehen.
Wie können die Versicherten selbst sich ein Bild über die Güte ihrer Vorsorgeeinrichtung machen?
Der Deckungsgrad als isolierte Zahl ist trügerisch. Er ist nämlich geprägt vom gewählten technischen Zinssatz, von den zur Schätzung der Lebenserwartung der Versicherten genutzten Sterbetafeln und auch von den vorhandenen Rückstellungen. Die Nutzung eines vergleichsweise hohen Rechnungszinses führt zu einem besseren Deckungsgrad, was die finanzielle Lage beschönigt. Das stellt dann jedoch die ambitiöse Forderung an die Kasse, dass in allen kommenden Jahren dauerhaft ein entsprechend hoher Anlageertrag erzielt werden muss.
Was sind tauglichere Massstäbe, die auch einen verlässlichen Vergleich mit anderen Pensionskassen zulassen?
Aussagekräftiger als der herkömmliche Deckungsgrad ist die Betrachtung des ökonomischen oder des risikotragenden Deckungsgrads. Sie setzen zur Verpflichtungsdiskontierung risikolose Zinssätze ein und gewähren damit eine im aktuellen Finanzmarktumfeld realistische und objektive Darstellung. Gestaltet eine Vorsorgeeinrichtung die Bilanzierung anhand einer vergleichsweise tiefen erforderlichen Rendite, gibt das den Komfort, dass dieses Ertragsziel mit grösserer Gewissheit in den kommenden Jahren erwirtschaftet wird.