imageYves Rossier, abtretender Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen, lobt die Stabilität der Schweizer Altersvorsorge. So drastische Massnahmen wie in anderen Ländern seien nicht nötig, meint er in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger. Auszüge:

Wegen der demografischen Entwicklung haben viele den Eindruck, dass es im Rentenalter keine Generation mehr so gut haben wird wie die heutige.
Weil wir nicht wissen, wie es in 20 Jahren sein wird, denken wir in Schreckensszenarien. Aber ich sehe nicht ein, warum wir Angst haben sollten. Die Zukunft ist zwar immer unsicher, aber unser Sozialsystem ist kerngesund. Es gibt kein Land in der OECD, in dem die Sozialversicherungen so gut dastehen. Für das nächste Jahrzehnt zeichnen sich bei uns Probleme ab, aber die Griechen, Engländer, Iren oder Spanier haben bereits heute ein Problem und kürzen die Leistungen zum Teil massiv. Bei uns werden die Massnahmen weder auf der Leistungs- noch auf der Einnahmenseite so drastisch sein.

Bei der zweiten Säule sind die goldenen Zeiten schon heute vorbei.
Ja, aber das waren goldene Zeiten auf dem Papier. Es gab eine Periode, in der der Umwandlungssatz bei 7,2 Prozent lag und es 4 Prozent Zins auf dem Kapital gab. Aber wir hatten 5 bis 7 Prozent Inflation. Das Kapital warf zwar mehr Zinsen ab, doch faktisch blieb unter dem Strich weniger als heute. Nur hat es niemand bemerkt. Jetzt erhält man nur 1,75 Prozent Zins, aber die Inflation liegt unter einem Prozent. Also sind die Erträge heute höher als in den goldenen Zeiten.

Die Mehrheit will im Pensionsalter nicht mehr arbeiten.
Schon heute arbeitet ein Drittel der 65- bis 70-Jährigen. Niemand tut das, weil er sonst verhungern würde, sondern um sich einen bestimmten Lebensstandard zu erhalten. Gleichzeitig ist das ein Segen für unseren Sozialstaat, weil diese Leute weiterhin Beiträge zahlen. Auch künftig wird niemand im Rentenalter arbeiten müssen, um nicht in Armut zu leben.

Sie gehen nach acht Jahren ins Aussendepartement. Fliehen Sie vor den Problemen bei den Sozialwerken?
Ich lasse mir kein schlechtes Gewissen einreden. BSV-Direktor ist einer der besten Jobs. Ich konnte der Politik Vorschläge machen und gleichzeitig die politischen Prozesse beobachten. Wie bei der IV wird auch bei der AHV ein Prozess in Gang kommen, der mit der Einsicht enden wird, dass es Änderungen braucht. Dann folgt die politische Auseinandersetzung, die hart sein wird. Das ist gut so, weil nur auf diese Weise eine Lösung gelingen wird. Man muss den Traum aufgeben, von der Politik befreit zu werden. Politik ist etwas Gutes.

 Tages-Anzeiger