326  19.12.2016       
      
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KOMMENTAR


Mehr als Murks

Das Reformprojekt Altersvorsorge 2020 steht nach Abschluss der Beratung im Ständerat mitten in der Differenzbereinigung – und in der Krise. Jetzt darf der Nationalrat in der Fühjahrssession 2017 noch einmal dran. Dann kommt es voraussichtlich zur Einigungskonferenz und schliesslich zur Schlussabstimmung, mit sehr ungewissem Ausgang.

Weshalb unsere Skepsis? Dafür gibt es diverse Gründe.

Zum einen erweist sich das bundesrätliche Konzept des Gesamtpakets nun doch als Risiko. Das haben diverse Kritiker schon von Anfang an festgestellt, und sie scheinen recht zu behalten. Funktioniert hätte es bei grösserer Kompromissbereitschaft. Auf Seite des SR ist diese nicht zu erkennen. Möglicherweise schaltet nun auch der NR auf stur. Ein Satz im Communiqué des Arbeitgeberverbands lässt aufhorchen. Dort steht: «Selbst der Status quo wäre besser als die Option des Ständerats».

Die unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Kammern erschweren den Ausgleich. Anders als etwa bei der MEI, bei der FDP und SP gemeinsam den Volkswillen spülten und die CVP beide Augen zudrückte, differieren bei der AV2020 die Positionen zwischen mitte-links und rechts erheblich. Rot/Schwarz lässt dank der starken Präsenz im Stöckli die Muskeln spielen und macht ihr 70 Franken-Modell zur Prestigefrage, von dem sie ohne Gesichtsverlust nicht  mehr abrücken können.

Im Trockenen sind bisher Frauenrentenalter 65 und der Umwandlungssatz 6 Prozent. Dürftig, muss man sagen, trotz aller künstlicher Aufregung. Denn der neue Mindestumwandlungssatz ist aus versicherungstechnischer Sicht ein Witz. Laufend gehen die Kassen nun auf 5 Prozent und tiefer. Welchen Sinn ein Mindestsatz von 6 da haben soll, verschliesst sich unserem Verständnis. Aber alle sind zufrieden. Die Linken dürfen jammern, die Arbeitgeber haben aus Kostengründen kein Bedürfnis nach grösserer aktuarischer Präzision und die Kassen und ihre Verbände sagen sich, besser das als gar nichts. Das sind bescheidene Ansprüche an eine wichtige Revision. Und das also ist die Basis, auf welcher unsere Sozialwerke für die Zukunft fit gemacht werden sollen.

Wie schief die 6 Prozent in der Landschaft stehen wird aus den neusten VZ-Zahlen ersichtlich. Sie setzen realiter eine Kapitalrendite von 4 Prozent voraus. Zur Erinnerung: Auf Drängen der SP hat das BSV eine Studie über die künftige Entwicklung der Vermögenserträge bei der BAK in Auftrag gegeben. Sie kam zum Schluss, dass mittel- bis langfristig mit etwa 2,5 Prozent gerechnet werden kann. Neuere Prognosen von Pictet liegen sogar noch tiefer. Aber bitte, was soll man mit Studien, deren Resultate nicht ins eigene Konzept passen? Da gibt es nur eines: ignorieren, gar nicht hinsehen, vergessen.

Das Reformprojekt hat durch den Vorstoss des Nationalrats mit einem echten Ausgleich der UWS-Senkung dank Abschaffung des Koordinationsabzugs an Dynamik gewonnen. Damit würde die 2. Säule gleichzeitig flexibler und sozialer. Das nun hat die Rot/Schwarz-Combo im Ständerat offenbar so überrascht, dass ihnen als einzige Reaktion nur die vollständige Blockade möglich war. Mit Unterstützung des Arbeitgeberverbands wurden da nämlich Verbesserungen in der 2. Säule geboten, von welchen die Linken noch vor kurzer Zeit nicht zu träumen gewagt hätten. Aber behaftet mit dem Not invented here-Syndrom hatte man dafür nur Hohn und Spott übrig.

Was soll schliesslich ein sozialpolitischer Fortschritt, wenn man sich den Lorbeer dafür nicht an die eigenen Fahnen heften kann? Da verzichtet man lieber und hausiert mit dem 70 Franken-Schnäppchen, das 1,5 Millionen Rentenbezüger im Regen stehen lässt und trotzdem die AHV in Schieflage bringt. Argumentiert wurde mit den Kosten. Die Basis dafür suchte man bei den BSV-Zahlen, welche der eigenen Position entgegenkommen. Paul Rechsteiner, der üblicherweise für Prognosen aus dem Hause BSV, sofern sie die AHV betreffen, nur blanke Verachtung zeigt, lobte nun dessen Arbeit über den grünen Klee, bedankte sich mehrfach artig und wurde nicht müde, sie als absolut überzeugend darzustellen.

Die eigene Haltung wurde mit der untragbaren Belastung für die Jungen begründet. Das NR-Modell sei gerade für sie viel zu teuer. Der Vorwurf kommt ausgerechnet von jener Seite, welche sich bisher keinen Deut um die Jungen und deren Belastung durch den zu tiefen Umwandlungssatz und die daraus folgende milliardenschwere Umverteilung scherte, welche nota bene fortdauert. Ist das nun bloss Realsatire oder schon zynisch?

In diesem Umfeld waren die Kompromissvorschläge von Alex Kuprecht und Karin Keller-Sutter chancenlos. SP und CVP hatten sich in ihrer Entente cordiale und mit Blick auf ihre Stimmenmehrheit schon vor Sitzungsbeginn auf eine kompromisslose Linie eingeschossen und bewegten sich keinen Millimeter. Bewegung wird hingegen vom Nationalrat erwartet, der gefälligst seine Vorstellungen über Bord werfen soll. Nun wird bis März hinter den Kulissen nochmals gewerkt und diskutiert und lobbyiert. Die Chancen auf eine sinnvolle Lösung aber scheinen derzeit leider gering. Mehr als Murks ist nicht mehr zu erwarten. Bestenfalls.

Peter Wirth, E-Mail


 

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