327  9.2.2017       
      
BVG-Aktuell  / Termine / Links / Themen  / Newsletter als PDF

           An *|FNAME|* *|LNAME|*

 

KOMMENTAR


Das Prinzip Realismus

Das vergangene Jahr verlief für die Pensionskassen ertragsmässig passabel. Zu erwarten ist, dass die durchschnittlichen Deckungsgrade zum Jahresende leicht höher liegen als zum Beginn. Und dies nota bene trotz weiterhin sinkender technischer Zinsen und Umwandlungssätze – allerdings auch mit vereinzelten Leistungskürzungen.

Dennoch ist die Zukunft der 2. Säule überschattet. Steigende Zinsen könnten die früheren Buchgewinne auf Anleihen rasch und schmerzhaft in ihr Gegenteil kehren. Die halbherzige AV2020-Reform bringt nur eine geringe Entlastung, und um das Thema Rentenalter wird - abgesehen von der längst überfälligen Angleichung der Referenzalter für beide Geschlechter – ein grosser Bogen geschlagen.

Wie die Fakten lauten, wurde hingegen kürzlich mit den Reformplänen der basellandschaftlichen Kasse klar, welche auf Anfang 2018 schmerzhafte Massnahmen zur Stabilisierung ihrer Finanzen plant. Weitere Kassen werden ihr im laufenden Jahr auf diesem Weg folgen.

Dass das für die Arbeitnehmer alles andere als erfreulich ist, steht ausser Frage. Wenn der Gewerkschaftsbund auf diese Entwicklung kritisch reagiert, so ist das nicht überraschend und falls von ihm Vorschläge für eine wenigstens teilweise Entschärfung der Probleme vorgebracht werden, so sind sie jedenfalls prüfenswert.

Der SGB befasst sich zum Jahresstart an einem Medienanlass jeweils traditionell mit Fragen der Altersvorsorge und Doris Bianchi, geschäftsführende Sekretärin, legte eine detaillierte Bestandsaufnahme vor. Unbestritten ist ihre Feststellung, dass ein Trend zur Risikoverlagerung vom Arbeitgeber (genauer den Kassen) zu den Destinatären zu beobachten ist. Da mögen Rechnungslegungsvorschriften eine Rolle spielen, wie weit ist unklar. Wohl auch ein zunehmend kurzfristiges, renditeorientiertes Denken, steigender Druck von den Märkten und ein raueres Arbeitsklima in vielen Betrieben. Dass zunehmend ausländische CEOs an die Spitzen schweizerischer Konzerne geholt werden, welche den Pensionskassen mit ihren hohen überobligatorischen Leistungen und den damit verbundenen Kosten oftmals skeptisch gegenüberstehen, ist auch nicht hilfreich. Aber gegen solche Entwicklungen kommen weder Gesetze noch gutes Zureden an.

Etwas konkreter wird Bianchi, wenn sie von übermässigen Senkungen des technischen Zinses warnt. Aber ab wann sind sie «übermässig»? «Mit einem tiefen technischen Zins vermeidet die PK präventiv eine Sanierung», meint sie. Was ist daran falsch? «Die Kosten dafür trägt einseitig der Arbeitnehmende durch einen tieferen Umwandlungssatz bei seiner Pensionierung». Aber auch Sanierungen kosten bekanntlich, und zwar laut Gesetz für beide Seiten. Die Zeiten grosszügiger freiwilliger Zuschüsse der Arbeitgeber bei Notlagen sind vermutlich vorbei. Sparen ist besser als Sanieren, meinen wir. Aber das kann man offenbar auch anders sehen.

Wenig Zuspruch findet das Konzept variabler Renten auf Gewerkschaftsseite. Der Blick hat dafür den Terminus «Wackelrenten» erfunden. So ein Begriff hat den Vorteil, dass er scheinbar jede Diskussion erspart. Nicht zum Vorteil des Systems, das dringend auf Innovationen angewiesen wäre. «Sie sind ebenfalls als eine Präventionsmassnahme gegen eine mögliche drohende Sanierung zu würdigen. Dadurch entfällt für den Arbeitgeber das Risiko, Sanierungen zu finanzieren», schreibt Bianchi. Für ein Gegenargument siehe den obigen Abschnitt.

Mehr Erfolgschancen haben die 1e-Pläne. Auch sie sind nicht im Sinne des SGB. Da sie aber nur sogenannt Gutverdienende im Bereich über 126'000 Franken treffen, ist das Problem weniger akut. Hier spielt natürlich voll der erwähnte Risikotransfer, allerdings verbunden mit neuen Freiheitsgraden für die Destinatäre bezüglich Anlagestrategie. Das BSV hat so wenig wie der SGB Freude an dieser Entwicklung und versucht sie trotz gesetzlicher Grundlage zu sabotieren. Aber der Trend dürfte zu stark sein als dass er noch zu kehren wäre. Ob man ihn nun gut oder anders findet, ist sowieso dem Einzelnen überlassen. Als kaum je erwähnter Vorteil sei immerhin angefügt, dass die unerwünschte Umverteilung zwischen den Generationen mit diesen Plänen verhindert wird. Aber bekanntlich war diese nie ein Problem für die Gewerkschaften.

Letztlich trifft diese auch für den letzten Punkt auf der Sorgenliste von Bianchi zu: die Begrenzung der maximal ausgerichteten Rente mit zwangsweisem Kapitalbezug des restlichen Altersguthabens, wie etwa von der CS beschlossen. Für einmal ausbezahlte Kapitalien bestehen bei der Kasse resp. den Arbeitgebern und Destinatären keinerlei Verpflichtungen mehr. Dass das auch «schon bald für tiefere Lohnsegmente» Vorschrift sein könnte, wie Bianchi befürchtet, glauben wir nun wirklich nicht. Und für Rentenempfänger mit Leistungen von über 100'000 Franken p.a. braucht sich der SGB wohl nicht zu engagieren. Wird von ihm ja auch nicht erwartet.

Bleibt zu fragen, was denn vorzukehren wäre, um die berufliche Vorsorge wieder auf Vordermann zu bringen? Überstürzte Senkungen des technischen Zinses und der Umwandlungssätze seien zu stoppen, fordert die Gewerkschaftssekretärin. Aber «überstürzt» ist so vage wie «übermässig». Ausmass und Zeitpunkt ist den Kassen zu überlassen, oder wenigstens mit konkreten Angaben zu untermauern, was denn nun angemessen und richtig sei.
Um «Gegensteuer» zu geben «hat der SGB hat zusammen mit dem PK Netz 2. Säule den Austausch unter den Arbeitnehmervertretern in den Stiftungsräten der Pensionskassen intensiviert und ein Monitoring über die Senkungen der technischen Zinssätze aufgezogen», wird mitgeteilt. Als Erfahrungs- und Wissensaustausch ist das gewiss wertvoll, aber wirkungslos gegen die von den Realitäten aufgezwungenen Massnahmen.

Weiter will der SGB, dass die Einnahmen der Nationalbank aus den Negativzinsen den PKs zugutekommen. Ein diskutabler Vorschlag, aber mit minimen Realisierungs-Chancen, da die SNB frei darüber verfügen kann. Bleibt die Forderung nach Ausbau der AHV, um die Einbussen in der 2.Säule zu kompensieren. Aber AHVplus ist gescheitert und der geforderte Ausgleich für die UWS-Senkung mit dem 70 Franken-Zuschlag primär für die Galerie gedacht. So macht man keine fundierte Vorsorgepolitik.

Was könnte man besser machen? Wir meinen, es wäre schon viel erreicht, wenn den Pensionskassen nicht mit immer neuen Vorschriften stets weitere Steine in den Weg gelegt würden - wie etwa mit dem fundamental-gerechten Vorsorgeausgleich, mit expandierenden Reglementierungen der OAK, einer Uebergangsfrist von 25 Jahren, wie vom Nationalrat allen Ernstes für die AV2020 erwogen und besonders mit der andauernden Infragestellung von Sinn und Zweck der 2. Säule im irreführenden Vergleich mit der AHV. Aber offen gestanden: mehr fällt uns in der aktuellen Situation auch nicht ein.

Natürlich wäre es zu begrüssen gewesen, wenn der Bundesrat für die aktuelle Reform grösseren Ehrgeiz gehabt hätte, als bloss an den Stellschrauben der Sozialpolitik gerade so weit zu drehen, dass das System die nächsten zehn Jahre einigermassen heil übersteht. Aber das scheint politisch und intellektuell ausser Reichweite gelegen zu sein.

Peter Wirth. E-Mail


Impressum
Herausgeber: Vorsorgeforum - www.vorsorgeforum.ch
Redaktion:
Peter Wirth, E-Mail
Inserate:
Wir informieren Sie gerne über unsere Bedingungen.
Abo: Sie können diesen Newsletter unentgeltlich auf unserer Website abonnieren. Wenn Sie von der Mailing-List gestrichen werden wollen, so klicken Sie bitte auf den Link in der untersten Zeile dieser Seite.
Mitteilungen an die Redaktion unter info@vorsorgeforum.ch.

Der Newsletter erscheint i.d.R. alle vierzehn Tage.

Das Vorsorgeforum wurde 1989 gegründet. Ihm gehören als Mitglieder an: private und öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen, Organisationen der Sozialpartner, der Schweizerische Pensionskassenverband, Pensionskassen-Experten, der Schweizerische Versicherungsverband, die Bankiervereinigung, Dienstleistungsunternehmen im Bereich berufliche Vorsorge und engagierte Private.