So gegensätzlich die Meinungen zur Neuauflage der Rentenreform sein mögen, in einem Punkt scheinen sich alle einig: es muss kompensiert werden. Der tiefere Umwandlungssatz und erst recht das höhere Frauenrentenalter. Mit Verlaub: wieso?

Das heutige Rentenalter 64 für Frauen ist nichts weiter als ein Privileg, ein Relikt aus besseren Vorsorge-Zeiten. 1957 wurde es von 65 auf 63 und dann 1964 auf 62 Jahre gesenkt, schliesslich 2005 wieder auf 64 Jahre erhöhte.

Wieso die volle Angleichung jetzt kompensiert – sprich durch ein anderes Privileg – ersetzt werden soll, entzieht sich unserer Einsicht. Dass es Frauen gibt, die dagegen revoltieren, ist allenfalls verständlich, aber kein Argument. Eventuell könnte man mit der politischen Durchsetzbarkeit argumentieren. Aber offenbar sehen auch bürgerliche Politiker und Vertreter der Fachverbände zum vornherein die Kompensation als zwingend und auch gerechtfertigt an.

Nun kommt Kompensation auch unter diversen anderen Titel daher. Etwa als «Ausgleich», «soziale Abfederung» oder «Entschädigung». Die Unterschiede sind semantischer Natur. Allen Begriffen ist gemeinsam, dass sie bedeuten: es werden Leistungen vergeben, für welche die Empfänger nicht aufzukommen haben. Dazu gehört auch das tiefere Rentenalter, das bei gleichen Beiträgen bessere Leistungen verspricht. Dass die Jusos gegen 65/65 revoltieren, lässt sich mit juvenilem Übermut erklären, vielleicht. Dass gestandene SP-Frauen mit blankem Entsetzen reagieren, gehört schon eher ins Kapitel «Gender-Arroganz».

Auch bei der Anpassung des Umwandlungssatzes besteht kein Anlass für Kompensation. Der tiefere Satz ist nichts weiter als Ausdruck des gestiegenen Preises für die Vorsorgeleistung unter den gegebenen Bedingungen. Falls Politik und Versicherte auf unveränderten Leistungen bestehen (das heisst gleich hohe Rente trotz längerer Lebensdauer) muss die Prämie erhöht werden. Schlicht und ergreifend. Dafür ist so wenig Kompensation angezeigt wie für höhere Krankenkassenprämien, Benzinpreise oder Wohnungsmieten. Kompensation wie in der verunglückten AV2020-Vorlage, war wohl der Gipfel der Unehrlichkeit, in dem die Zusatzkosten für 20 (!) Jahre Uebergangsfrist einfach auf jüngere Jahrgänge abgeschoben werden sollten, weil man sie einer Generation nicht zumuten wollte, locker aber den nachfolgenden.

Die für die Sozialversicherung notorische Verschleierung der wahren Kosten zeigt sich an der ungenügenden Anpassung des Umwandlungssatzes auf 6 statt 5%. Hier sind sich die Sozialpartner und alle Parteien für einmal einig. Keine Seite will sich der Wahrheit stellen. Man wirft eifrig Nebelpetarden von links und rechts, um die Illusion der «Kompensation» einigermassen aufrecht halten zu können, weil die volle Kostenwahrheit für die betroffene weil kostentragende Generationen offenbar als nicht zumutbar eingestuft wird. So schwindelt man sich mit einer Scheinreform durch die Realitäten. Billiger wird die Vorsorge damit natürlich nicht einen Rappen. Es wird lediglich mit der Rechnung getrickst. Es ist zu befürchten, dass das Spiel auch in der nächsten Runde so weitergeht.

Peter Wirth, E-Mail