Diese Studie evaluiert anhand einer Kohortenanalyse die Massnahmen des beruflichen Eingliederungsprozesses der IV und ihre Auswirkungen bis ins Jahr 2021. Sie aktualisiert eine frühere Studie und deckt den Zeitraum vom Inkrafttreten der 5. Revision der Invalidenversicherung im Jahr 2008 bis zum Inkrafttreten der Weiterentwicklung der IV im Jahr 2022 ab. Letztere wird später im Rahmen von verschiedenen Projekten evaluiert werden. Der Bericht liegt in deutscher Sprache vor mit Zusammenfassungen in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch. Die gedruckte Publikation kann ab April 2024 bestellt werden.
IV
Hohe Minusperformance
Die drei Sozialversicherungen (AHV, IV, EO) schliessen das Geschäftsjahr 2022 mit einem positiven Umlageergebnis von 1632 Millionen Franken für die AHV, 122 Millionen für die IV und 217 Franken Millionen für die EO ab.
Aufgrund der Turbulenzen an den Finanzmärkten ist das Anlageergebnis bei allen drei Versicherungen negativ, wobei die Nettorendite auf dem Anlagevermögen bei -12.85 % liegt. Dies führt zu einem negativen Betriebsergebnis für die AHV (-2 706 Millionen) und die IV (-293 Millionen), aber zu einem positiven Betriebsergebnis für die EO (33 Millionen).
Die Schulden der IV gegenüber der AHV bleiben unverändert bei 10’284 Millionen. Der gesamte Vermögensbestand der compenswiss per 31. Dezember 2022 beläuft sich auf 37’307 Millionen Franken.
IV-Schulden an den Bund?
Die Invalidenversicherung (IV) steht bei der AHV mit rund 10.3 Mrd. Franken in der Kreide. Der Bundesrat ist grundsätzlich bereit, diese Schulden zu tilgen. Er be- antragt ein Ja zu einer entsprechenden Motion aus dem Ständerat. Die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Ständerats verlangt eine Vorlage bis Ende 2023. Damit sollen die IV-Schulden getilgt oder aber durch den Bund übernommen werden. Der Bund stehe in der Pflicht, das Problem zu lö- sen, schreibt die Kommission. Als nächstes entscheidet der Ständerat über die Motion.
IV-Versicherte müssen Schaden mindern
CHSS. In zwei Kreisschreiben der Invalidenversicherung verleiht das Bundesamt für Sozialversicherungen den Auflagen für medizinische Behandlungen im Rahmen der Schadenminderung mehr Gewicht. Grundlage dafür ist ein Forschungsbericht.
Auflagen zur Schadenminderung kamen in der bisherigen IV-Praxis relativ selten zum Einsatz, wie eine Studie des Büro Vatter und der Berner Fachhochschule (BFH) im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) aus dem Jahr 2020 zeigt. Seitens der einzelnen IV-Stellen wurden sie zudem in unterschiedlichem Masse angewendet.
IV aus Sicht der Arbeitgeber
CHSS. Die Wahrnehmung der IV ist über die Jahre (Befragungen 2012–2021) ziemlich stabil geblieben. Mehrheitlich wird die IV von den Arbeitgebenden mit positiven Attributen beschrieben. 35 % der befragten Unternehmen nehmen die Invalidenversicherung hauptsächlich als eine Partnerin/Unterstützerin wahr. 33 % sehen in ihr eine kompetente Anlaufstelle für Fragen rund um beeinträchtigte Mitarbeiter.
Es gibt aber auch kritischere Wahrnehmungen. Ein Fünftel (20 %) der befragten Unternehmen sieht in der Invalidenversicherung eine komplizierte Institution, knapp ein Fünftel eine wenig Bekannte / eine Unbekannte (18 %) und 6 % sehen in der IV primär eine Geldgeberin. Auffällig ist zudem, dass die Wahrnehmung der IV über alle Regionen, Sektoren und Unternehmensgrössenklassen hinweg relativ einheitlich ist.
Allerdings wird die IV eher als Partnerin/Unterstützerin gesehen, je grösser ein Unternehmen ist. Bei den grössten Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden sehen 57 % die IV als Partnerin/Unterstützerin, während dieser Anteil bei den kleinsten Unternehmen mit vier bis neun Mitarbeitenden nur bei 31 % liegt.
Artikel CHSS / Umfrage DemoScope
Verläufe im System der sozialen Sicherheit
BFS. Im Jahr 2019 bezogen 682’551 Personen ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung, eine Rente der Invalidenversicherung oder Leistungen der wirtschaftlichen Sozialhilfe. 32’291 Personen (4,7%) davon erhielten innerhalb des Jahres Leistungen aus mehreren Systemen. 2019 war damit zum zweiten Mal in Folge ein Rückgang der jährlichen SHIVALV-Gesamtbezugsquote im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen (von 12,6% in 2018 auf 12,3% in 2019). Der Rückgang ist dabei allein auf eine Abnahme bei der Quote der Taggeldbeziehenden in der ALV zurückzuführen, blieben doch die Bezugsquoten der Sozialhilfe und der IV stabil.
IV-Statistik 2020
EDI. Die Eidgenössische Invalidenversicherung (IV) richtete 2020 an rund 450’000 Personen Leistungen aus. Sie schloss 2020 bei Ausgaben von 9,6 Milliarden mit einem Defizit von 0,4 Milliarden Franken (Umlageergebnis). Den grössten Ausgabenteil bildeten die Renten mit 5,3 Milliarden Franken. Von 247000 Invalidenrenten wurden rund 218’000 in der Schweiz und 29^^000 im Ausland ausgerichtet. Die individuellen Massnahmen kosteten rund 2 Milliarden Franken und kamen 211’000 Versicherten zugute. Mit 110’000 Leistungen standen die medizinischen Massnahmen (vor allem bei Kindern mit Geburtsgebrechen) an der Spitze, es folgte die Abgabe von Hilfsmitteln an 65’000 Personen. Für rund 47’000 Personen vergütete die IV Massnahmen zur beruflichen Eingliederung im Umfang von 790 Millionen Franken.
IV-Rente trotz Massnahmen
Jeder fünfte Massnahmenbezüger erhält trotz Massnahmen eine Rente
Die Wirkung einer beruflichen Massnahme lässt sich daran messen, ob ein Bezüger danach doch eine Rente erhält oder nicht (Leerlaufquote). Aber nicht nur: IV-Stellen, die (zu) viele (unnötige) Massnahmen anordnen, werden auch gewisse Erfolge verzeichnen und damit die Leerlaufquote drücken.
Avenir Suisse schreibt: Die Unterschiede zwischen kantonalen Eingliederungsstrategien sind frappant. Nicht nur die Beträge per Bezüger variieren stark, sondern auch die Anzahl Personen, die von solchen Massnahmen profitieren, sowie der Erfolg solcher Massnahmen. Um die Mittel effizienter einzusetzen, sollte ein Kostendach für alle beruflichen Massnahmen pro IV-Stelle, gestützt auf die Anzahl Anmeldungen pro Jahr, festgelegt werden.
Im Quadranten oben rechts in der Abbildung sind die IV-Stellen zu finden, die wahrscheinlich zu undifferenziert Eingliederungsmassnahmen anordnen. Die Bezügerquote ist dort überdurchschnittlich hoch, und überdurchschnittlich viele Bezüger erhalten nach den Massnahmen trotzdem eine Rente.
Betriebsergebnisse 2020 für AHV, IV und EO
Compenswiss: Die AHV schliesst das Geschäftsjahr 2020 mit einem positiven Umlageergebnis in Höhe von CHF 579 Millionen ab. Dank der beschlossenen Zusatzfinanzierung von rund CHF 2 Milliarden (Volksabstimmung von Mai 2019 zur Steuerreform und AHV-Finanzierung STAF) wird der in den Vorjahren verzeichnete Abwärtstrend gestoppt. Das positive Anlageergebnis des AHV-Ausgleichsfonds (CHF 1’311 Millionen) ist auf eine gute Performance zurückzuführen, die trotz extremer Turbulenzen an den Finanzmärkten aufgrund der COVID-19-Pandemie erzielt werden konnte.
Die von der IV gezahlten Zinsen auf ihrer Schuld gegenüber der AHV trugen ebenfalls leicht zum Betriebsergebnis bei. Sie beliefen sich im laufenden Jahr auf CHF 51 Millionen und waren damit gleich hoch wie im Vorjahr, da sowohl Schuldhöhe als auch Zinssatz (0.5%) unverändert blieben. Somit weist das Betriebsergebnis für die Sozialversicherung für das Jahr 2020 einen Gewinn von CHF 1’941 Millionen aus.
Corona belastet IV – und die PKs
Michael Ferber schreibt in der NZZ über die absehbar steigende Belastung der Sozialversicherung durch psychische Störungen, ausgelöst durch die Pandemie und insbesondere die damit verbundenen Massnahmen.
Es kommen auf die IV massive neue Belastungen zu. Eine Anfang April publizierte wissenschaftliche Studie im Fachmagazin «The Lancet» deutet darauf hin, dass die Folgen einer Corona-Infektion für die Psyche nicht unterschätzt werden sollten. Von 236 000 vor allem in den USA untersuchten, mit Covid-19 infizierten Patientinnen und Patienten litt nach sechs Monaten rund ein Drittel unter einer Hirnerkrankung oder psychischen Störung.
Wie es in der «Swiss Corona Stress Study» der Universität Basel heisst, hat sich die Zahl der Menschen in der Schweiz mit Symptomen einer schweren Depression, die an der nicht repräsentativen Studie im Zeitraum März bis November 2020 teilgenommen haben, mehr als verfünffacht – von 3,4% auf 18,4%. Dies lasse sich durch Perspektivlosigkeit, Vereinsamung und soziale Isolation sowie Unsicherheiten über die Arbeitsmarktentwicklung erklären, heisst es in einer neuen Studie von Avenir Suisse zum Thema Invalidität in der Schweiz. «Mit einer gewissen Verzögerung, wohl in den Jahren 2022 und 2023, wird man diesen Anstieg auch in den Invaliditätsstatistiken sehen», sagt Jérôme Cosandey, Directeur romand und Forschungsleiter Sozialpolitik bei dem Think-Tank.
Ein weiteres Alarmsignal der «Swiss Corona Stress Study» ist, dass neben Personen mit finanziellen Einbussen durch die Corona-Krise vor allem junge Leute von schweren Depressionen betroffen waren. Aus Sicht der IV sind junge IV-Rentner besonders teuer, da sie ihre Rente über mehrere Jahrzehnte hinweg erhalten – und psychische Erkrankungen sind nun einmal altersunabhängig. Laut Daten des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) stellen 20- bis 29-Jährige 11% der neuen IV-Renten, sind aber für 20% der kumulierten Kosten bis zur Pensionierung verantwortlich.
Grosse kantonale Unterschiede bei Eingliederungsmassnahmen
Die neue Studie von Avenir Suisse unter der Leitung von Jérôme Cosandey, Directeur romand und Forschungsleiter Sozialpolitik, wertet erstmals Daten des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) aus und untersucht die Eingliederungsbemühungen nach Kantonen. Dafür wurden Personen von sechs Kohorten (2010–15) vier Jahre nach ihrer Anmeldung bei der IV analysiert. Die Betrachtung pro Anmeldung statt pro Einwohner klammert soziodemografische Unterschiede zwischen den Kantonen aus und fokussiert auf die steuerbaren Aktivitäten der IV-Stellen.
Im kantonalen Vergleich zeigen sich beträchtliche Unterschiede. Die Rentenquoten – also das Verhältnis der zugesprochenen Renten pro Anmeldung – sind in der Romandie und im Tessin mindestens 27% höher als in der übrigen Schweiz, im Kanton Genf sogar um 41%. Die Differenzen spiegeln die Auslegungen des Bundesrechtes durch die kantonalen IV-Stellen und zum Teil durch die Kantonsgerichte. Sie sind aber auch das Resultat unterschiedlicher Eingliederungsstrategien.
Die Kantone Appenzell-Ausserrhoden, Jura und Zug geben mehr als dreimal so viel aus pro Massnahmenbezüger wie das Tessin. Doch nicht nur die Beträge pro Fall variieren stark, sondern auch die Zahl der Bezüger und der Integrationserfolg. So ist die Erfolgsquote in den Kantonen Solothurn und Wallis deutlich tiefer als im Kanton St. Gallen. Das BSV als Aufsichtsorgan ist gefordert, die Gründe für diese Unterschiede zu untersuchen und die Basis für Vergleiche bei psychischen Krankheiten mit einer einheitlichen Nomenklatur (ICD-10) zu legen. Um die Mittel effizienter einzusetzen, sollte ein Kostendach für alle beruflichen Massnahmen pro IV-Stelle, gestützt auf die Anzahl Anmeldungen pro Jahr, festgelegt werden – analog zur Regelung in der Arbeitslosenversicherung.
Die Gesamtkosten für die Heilung, die Eingliederung und die Berentung von Menschen mit Behinderung schätzt Avenir Suisse auf 24 Mrd. Fr. pro Jahr. Bei so vielen Akteuren und derart hohen Kosten gilt es, Kommunikationsdefizite, Fehlanreize und Doppelspurigkeiten zu vermeiden.
IV-Schulden bei der AHV
Mit rund 10 Mrd. Franken steht die IV bei der AHV noch in der Kreide. Um die Schulden abzubauen, sagten die Stimmberechtigten 2009 Ja zu einer befristeten Erhöhung der Mehrwertsteuer. So konnten die Schulden der IV von rund 15 Milliarden auf noch rund 10 Milliarden Franken gesenkt werden. Doch seit diese Zusatzfinanzierung ausgelaufen ist, verringert sich die Schuld nicht mehr. Der Tages-Anzeiger berichtet über die Lage:
Die neuste Finanzperspektive des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) vom Februar für die IV zeigt nun: Die Schuld wird auch in zehn Jahren noch bei rund 7 Milliarden Franken liegen. Wann sie ganz zurückbezahlt werden könnte, wird nicht ausgewiesen.
Es zeigt sich zudem: Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Finanzperspektive der IV weiter verschlechtert. Neu eingerechnet ist da zum Beispiel die Weiterentwicklung der IV, die ab 2022 in Kraft treten soll. Konkret: Im vergangenen Sommer ging das Bundesamt in seinem Szenario davon aus, dass 2030 der Schuldenberg um fast 250 Millionen kleiner ausfallen wird als im neusten Szenario vom Februar.
Die wirtschaftliche Situation von IV-Rentnern
Erstmals wurde 2012 mit Hilfe von Steuerdaten aus der Periode 2003 bis 2006 die wirtschaftliche Situation von IV-Rentnerinnen und IV-Rentnern untersucht. Mit dem konsolidierten verbesserten Datensatz kann nun eine Aktualisierung und gezielte Erweiterung der Studie von 2012 vorgenommen werden.
WEIV: Vernehmlassung der Verordnung
Die Weiterentwicklung der IV (WEIV) soll Verbesserungen für Kinder, Jugendliche und Menschen mit psychischen Problemen bringen. Im Zentrum steht eine intensivere Unterstützung der Betroffenen, um der Invalidisierung vorzubeugen und die Eingliederung zu verstärken.
Das Parlament hat die Gesetzesrevision im Sommer 2020 verabschiedet. Sie soll 2022 in Kraft gesetzt werden. Die Umsetzung bedingt umfangreiche Anpassungen verschiedener Verordnungen. Dazu hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 4. Dezember 2020 die Vernehmlassung eröffnet. Sie dauert bis zum 19. März 2021.
Die Verordnungsregelungen betreffen unter anderem die folgenden Neuerungen der WEIV: Intensivierte Massnahmen zur beruflichen Eingliederung; Aktualisierte Liste der Geburtsgebrechen; Kompetenzzentrum für die Übernahme von Medikamenten; Qualitätsprüfung und Transparenz der med. Gutachten; Regelung für die Bemessung des IV-Grads.
Mitteilung BSV / Verordnungsänderungen / Erläuternder Bericht /
Forschungsbericht “Evaluation der Integrations-Massnahmen”
Die Integrationsmassnahmen wurden mit der 5. IVG-Revision eingeführt und sollen die Versicherten darauf vorbereiten, Massnahmen beruflicher Art zu ergreifen oder sich wieder in die Arbeitswelt einzugliedern. Die Evaluation analysiert die Entwicklung der Integrationsmassnahmen seit 2012 sowie die Zielgruppen, die Umsetzung, die Kosten und die angestrebten Ergebnisse.
Der Bericht liegt in deutscher Sprache vor mit Zusammenfassungen in Französisch, Italienisch und Englisch. Die gedruckte Publikation kann ab Januar 2021 bestellt werden (Bundesamt für Bauten und Logistik BBL, 3003 Bern, www.bundespublikationen.ch, Bestellnr. 318.010.17/20D).