Wenn es um Kampagnen geht, spielen die Gewerkschafter mittlerweile in ihrer eigenen Liga. Das zeigten sie bereits im Frühling, als sie den Souverän überraschend dazu verleiteten, für die Einführung einer 13. AHV-Rente zu stimmen.
Die Gewerkschaften wissen, wie man gewinnt. Irritierend ist, dass sie zunehmend unter falscher Flagge kämpfen. Sie vertreten nicht mehr primär die Interessen der Arbeitnehmer mit kleinem Portemonnaie – die sie zu repräsentieren vorgeben. Sondern jene der meist wohlhabenden Pensionierten und angehenden Rentner.
Diese Interessen sind nicht deckungsgleich, im Gegenteil. Das zeigt just die versenkte BVG-Vorlage. Diese hätte die stossende Umverteilung von Jung (und oft relativ arm) zu Alt (und oft relativ reich) vermindert und den Versicherungsschutz für Menschen mit geringem Verdienst ausgebaut: Dass dafür die Sparbeiträge von Arbeitnehmern und Firmen steigen müssen und der Nettolohn etwas kleiner wird, liegt auf der Hand.
Das ist kein Skandal, sondern ziemlich normal, wenn man Geld für die Zukunft auf die Seite legt. Mit anderen Worten: Es handelte sich um ein Anliegen, das in gewerkschaftlichen Kreisen eigentlich auf breite Zustimmung hätte stossen sollen.
Den Gutverdienern hingegen bringen solche Reformen nichts. Die Vorsorgewerke von Banken, Pharmafirmen oder Verwaltungen nehmen ihren jüngeren Arbeitnehmern kein Vorsorgekapital weg, um es anderen gutzuschreiben, die kurz vor der Pension stehen: Sie verwalten viel überobligatorisches Kapital, für das der gesetzlich festgelegte Umwandlungssatz nicht gilt. So können sie kassenintern den Rentenklau verhindern, der bei Jahreslöhnen bis 88 200 Franken geschieht.
Die Kassen von Versicherten mit tiefen Einkommen jedoch haben keine Möglichkeit, für Generationengerechtigkeit zu sorgen: Bei den Coiffeuren, Kleinkindererzieherinnen oder Detailhandelsangestellten geht die Umverteilung von Jung zu Alt ungebremst weiter, mit dem Segen der Gewerkschaften. Wem auf diese Weise jahrelang Vorsorgekapital enteignet wird, der ist im Alter garantiert arm. (…)
Die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertreten jene, die ihr reinen Wein einschenken. Die vollmundigen Versprechen der Gewerkschaftsbosse jedoch, dass die Finanzierung der Renten ohne Korrekturen gesichert sei, basiert nicht auf Zahlen und Fakten – sondern bloss auf der naiven Annahme, dass in der Schweiz ja reichlich Geld vorhanden ist und man es bloss bei den Reichen einzutreiben braucht. Die Maillards und Lamparts werden nicht mehr im Amt sein, wenn der ungedeckte Check platzt.
Aber vielleicht ist es nur konsequent, wenn die Gewerkschaften die Interessen ihrer ursprünglichen Klientel aus den Augen verlieren: Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder sinkt ja Jahr für Jahr, trotz einer wachsenden Erwerbsbevölkerung: Nur noch 15 Prozent der arbeitenden Menschen sind gewerkschaftlich organisiert.
Gewerkschaften wie die Unia haben sich andere, lukrativere Einnahmequellen erschlossen und betreiben etwa Arbeitslosenkassen. Und sie verfügen über Anlagevermögen. Es geht ihnen wie vielen Babyboomern, die frisch in Rente gehen. Sie sind reich. Willkommen im Zeitalter der Rentnergewerkschaften!