Die Vermögensverwalter des grössten Sozialwerks und der grössten Pensionskasse der Schweiz tragen der veränderten Risikowahrnehmung Rechnung – aber mit sehr unterschiedlicher Intensität. Susanne Kapfinger stellt in den AWP-Nachrichten einen Vergleich her.
AWP
«Risikoprämien werden steigen»
Susanne Kapfinger, Redaktorin der AWP Soziale Sicherheit, interviewte Regina Knöpfel, Chefin von PK Rück, zu aktuellen Themen der Rückversicherung. Auszüge:
Susanne Kapfinger: Wie entwickelt sich das Rückdeckungsgeschäft?
Das Rückdeckungsgeschäft in der beruflichen Vorsorge ist stark abhängig von der Risikowahrnehmung und Risikobereitschaft der Verantwortlichen in den Vorsorgeeinrichtungen. Dadurch, dass es sich bei unseren Eigentümern um fünf grössere Vorsorgeeinrichtungen handelt, kennen wir deren Bedürfnisse sehr gut und entwickeln gemeinsam passende Produktgenerationen für die Zukunft.
Nehmen Sie auf der Nachfrageseite Veränderungen wahr?
Durch die Konsolidierung am Markt nimmt die Tragfähigkeit der biometrischen Risiken dort tendenziell zu. Wir gehen allerdings von zunehmenden Eintretenswahrscheinlichkeiten bei den Invaliditätsrisiken in den kommenden Jahren aus. Ausserdem beobachten wir, dass infolge der Anlagesituation der Risikoappetit der Vorsorgeeinrichtungen im Einklang mit deren Deckungsgraden gesunken ist.
Wenn sich das Invaliditätsrisiko rückläufig entwickelt, schadet das ihrem Geschäft?
Wie erwähnt gehen wir davon aus, dass Invalidisierungen in den kommenden Jahren relativ betrachtet häufiger auftreten werden. Aus der IV-Statistik für Neurenten lässt sich ablesen, dass nach einem Sinken und dann einer Stagnation der Invaliditätsquoten bei 2,8%o ab 2016 ein Anstieg bis auf 3,3%o im Jahr 2021 zu verzeichnen war. Die Zunahme in den letzten Jahren ist auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Wir behalten diese Entwicklung im Auge und versuchen, gemeinsam mit unseren Kunden präventiv und proaktiv Invaliditätsfälle, insbesondere jene infolge psychischer Erkrankungen, zu vermeiden.
AHV-Reform nützt auch dem BVG
Susanne Kapfinger, Chefredaktorin der AWP-Nachrichten Soziale Sicherheit, schreibt in der Ausgabe 18/22: “Die Reform zur Stabilisierung der AHV (AHV 21) bringt für die berufliche Vorsorge wichtige Änderungen mit sich: Bis 2024 müssen Reglemente angepasst und die Versicherten über Änderungen informiert werden.” Weiter hält sie einleitend fest:
Frühpensionierung oder Rentenaufschub – diesbezüglich haben Vorsorgeeinrichtungen einen grossen Spielraum. Sobald die AHV21 in Kraft tritt, wird dieser Spielraum jedoch eingeschränkt. Das Hauptziel der AHV-Reform besteht zwar in der Sicherung der Fonds-Finanzen bis 2030. Daneben wurden aber auch Massnahmen für mehr Flexibilität für die Versicherten beschlossen. Zum Beispiel beim Eintritt in den Ruhestand. Mehr Flexibilität für die Versicherte heisst weniger Freiheit für die Pensionskassen: Die in der AHV beschlossenen Massnahmen werden im BVG den Rahmen setzen.
Martin Roth: Schwerpunkt ESG
Suanne Kapfinger hat für AWP Soziale Sicherheit ein Interview mit Martin Roth, Präsident des ASIP, geführt. Auszüge:
Susanne Kapfinger: Sie präsidieren seit Mai den Pensionskassenverband Asip mit seinen 900 Mitgliedern. Was sind ihre Pläne?
Martin Roth: Es gibt drei Themen, die uns aktuell stark beschäftigen: ESG, das neue Datenschutzgesetz und die Austauschplattform «Asip vor Ort».
Unter ESG verstehen aber alle etwas anderes. Wie bringen Sie das unter einen Hut?
Seit Juli gibt es einen Leitfaden, der als Anleitung für den Umgang mit ESG dient. In Kürze lancieren wir zudem Empfehlungen zum ESG-Reporting, die als Standesregeln zu verstehen sind. Da der Verband extrem heterogen ist und um allen Mitgliedern gerecht zu werden, haben wir zwei Reporting-Versionen ausgearbeitet: eine Basisversion und eine fortgeschrittene Version.
Bitcoins für Pensionskassen?
In AWP Soziale Sicherheit Nr. 06/22 geht Prof. Thomas Ankenbrand, Leiter Center Investments an der Hochschule Luzern, auf das Thema Krypto Currencies bei PKs ein. Er hält u.a. fest:
Die Beimischung von Crypto Assets kann unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sein. Denn Crypto Assets können mit einer aktuellen Marktkapitalisierung von 1,7 Trillionen US-Dollar (Coinmarketcap per 12.3.2022) als neue Anlageklasse betrachtet werden. Davon hat Bitcoin mit rund 40 Prozent den grössten Anteil. Crypto Assets wiesen in der Vergangenheit eine tiefe Korrelation zu traditionellen Anlageklassen wie Aktien, Obligationen und Immobilien auf. Dies führt bei einer Beimischung von Crypto Assets zu einem traditionellen Portfolio zu verbesserten Risiko-Rendite-Profilen in Form einer besseren Sharpe Ratio.
Vergangene Renditen sind aber keine Garantie für zukünftige Renditen. Zu- dem sind die Risiken hoch. Trotzdem kann eine homöopathische Beimischung zu effizienteren Portfolios führen. Produkte in regulierten Märkten Stellt sich die Frage, wie in diese neue Anlageklasse investiert werden kann. Bei Investitionen in Crypto Assets muss hinzugefügt werden, dass sich die Risiken nicht nur auf Marktrisiken beschränken. Sie umfassen zudem auch andere Risikokategorien, wie operationeile Risiken. Das überrascht jedoch nicht, handelt es sich doch um weitest- gehend unregulierte, private Märkte. In den letzten Jahren ist aber ein Ökosystem von teils regulierten Finanzdienstleistern entstanden, welche die technisch anspruchsvollen Crypto Assets in traditionelle Anlagestrukturen verpacken. Dazu zählen zum Beispiel Fonds.
Artikel AWP
Corona: “Keine wesentlichen finanziellen Auswirkungen”
Susanne Kapfinger hat für AWP-Soziale Sicherheit Benno Ambrosini, Geschäftsführer
Libera, zu den Konsequenzen der Pandemie für die Pensionskassen befragt.
Susanne Kapfinger: Was sind die kurzfristigen Konsequenzen der Covidkrise?
Einerseits dürfte 2020 die Sterblichkeit der Rentner aus- geprägter sein als in früheren Jahren – insbesondere bei Pensionskassen mit einem hohen Durchschnittsalter des Rentnerbestandes. Das könnte zu einem Risikogewinn bei den Rentnern führen. Andererseits könnte bei manchen Pensionskassen die Sterblichkeit bei den aktiven Versicherten höher als erwartet ausfallen. Das würde zu einer höheren Schadenbelastung durch Todesfälle und allenfalls zu einem Risikoverlust bei den aktiven Versicherten führen. Wir erwarten allerdings keine wesentlichen finanziellen Auswirkungen auf die Pensionskassen, da die älteren Rentner weniger Kapital benötigen als die jüngeren.
Was geschieht, wenn sich die Übersterblichkeit fortsetzt?
Vergangene Phasen von Übersterblichkeit haben gezeigt, dass auf diese oft eine Phase der Untersterblichkeit folgt. Es ist also nicht auszuschliessen, dass die von Covid-19 verursachte Übersterblichkeit zu einer etwas geringeren Sterblichkeit in den Folgejahren führen wird.
Wird die aktuelle Situation in der Rentenberechnung nicht berücksichtigt?
Die Übersterblichkeit im Jahr 2020 ist nicht in den im Dezember 2020 publizierten technischen Grund- lagen BVG 2020 berücksichtigt, da sich die Grundlagen BVG 2020 auf die Sterblichkeitsdaten der Jahre 2015 bis 2019 beziehen. Dafür wird die Übersterblichkeit im Jahr 2020 in den kommenden technischen Grundlagen BVG 2025 mit der Beobachtungsperiode 2020 bis 2024 berücksichtigt.
Man tut also als wäre nichts geschehen?
Kurzfristige Schwankungen der Sterblichkeit können Konsequenzen für Pensionskassen haben. Für die Festlegung ihrer Leistungen und Finanzierung sollten sich Pensionskassen aber auf die mittel- und langfristigen Sterblichkeitsprognosen stützen und nicht auf kurzfristige Schwankungen in der Vergangenheit.
Immobilien: Häufigere Streitigkeiten
Susanne Kapfinger schreibt in AWP- Soziale Sicherheit über die Rund 27’000 Streitfälle, welche die Schlichtungsbehörden im Mietwesen im vergangenen Jahr behandelt haben. Meist ging es um Forderungen für Zahlungen oder Mietpreise. In 17 Prozent der Fälle erteilte die Behörde eine Klagebewilligung.
Schweizer Pensionskassen investieren etwa ein Viertel der Altersvermögen in Immobilien – Tendenz steigend. Der Grund ist einfach: es lassen sich damit attraktive Erträge bei überschaubarem Risiko erzielen. Immobilien-Direktanlagen haben im Krisenjahr 2020 gemessen am KGAST-Immo-Index fünft Prozent rentiert. Dafür nahmen die Investoren aber auch Risiken in Kauf. In diesem Fall geht es primär um das Mieterrisiko. (…)
Ein Schlichtungsverfahren kann die Streitereien aber nicht immer beenden. Von den im zweiten Halbjahr erledigten Schlichtungsverfahren konnte nur in 58 Prozent der Fälle eine Einigung zwischen den Parteien erzielt werden. Gestritten wird über den Mietzins, Vertragskündigung, Forderung auf Zahlung, Erstreckung des Mietverhältnis, Nebenkosten oder Mängel an der Mietsache. Der meistgenannte Grund für eine Nichteinigung im zweiten Halbjahr war die Forderung auf Zahlung. Der Sachverhalt machte 29 Prozent der nicht geschlichteten Fälle aus.
Die Schlichtungsbehörden beschäftigten sich im zweiten Halbjahr mit rund 21 500 Verfahren – Pendenzen des Vorsemesters und Neueingänge. Eine Einigung zwischen den Parteien konnte durch Vergleich, Klageanerkennung oder Klagerückzug in rund 7 600 Fällen erzielt werden. Dies entspricht einem Anteil von 58 Prozent der 13 200 erledigten Verfahren. Bei 17 Prozent der Verfahren kam es zu keiner Einigung, was zur Erteilung einer Klagebewilligung führte.
PK-Aetas: Hat die Aufsicht getrödelt?
In den AWP-Nachrichten “Soziale Sicherheit” 21-2 geht Susanne Kapfinger der Frage nach, ob die Kritik an der regionalen Aufsicht BBSA wegen nicht adäquaten Handelns gerechtfertigt ist. Der Beitrag wird ergänzt mit einem Interview mit Lydia Studer von der OAK zur Rolle der Oberaufsicht in solchen Fällen. Kapfinger hält fest:
Der Fall PK-Aetas bringt nicht nur die beschuldigten Stiftungsräte in Zugzwang. Daraus ergeben sich auch für die Aufsichtsbehörde unangenehme Fragen. Das Wahlreglement des Stiftungsrates wurde von der Stiftungsaufsicht 2019 genehmigt. Wenn die Anschuldigungen stimmen, hätten Kontrollorgane früher einschreiten müssen. Im Raum steht auch die Frage, warum die Aufsicht mehrere Monate verstreichen liess, bis sie mit der Aufforderung zur Stellungnahme reagiert hat. Die Aufsichtsbehörde hätte laut Rechtsprechung auch aus eigener Wahrnehmung tätig werden können. Sie hätte nicht zuwarten müssen bis die der Sammelstiftung angeschlossenen Kassen, welchen das Parteirecht zukommt, das Rechtsbegehren stellten.
Lydia Studer führte gegenüber der AWP dazu aus:
Welche Rolle spielt dabei die OAK BV?
Die OAK BV hat keine Kompetenz, im konkreten Einzelfall bei der Aufsichtsbehörde formalrechtlich einzugreifen. Der Gesetzgeber wollte der OAK BV keine konkrete Kompetenz geben, mittels Verfügung an die Aufsichtsbehörde im Einzelfall eingreifen zu können. Die Idee des Gesetzgebers war vielmehr, dass die OAK BV in generell abstrakter Weise Handlungsanweisungen – Weisungen – erlässt, wenn sie bei einer oder mehreren Aufsichtsbehörden feststellt, dass systematische Fehler vorliegen.
Ganz untätig bleibt die OAK BV in diesem Fall also nicht.
Selbst wenn die OAK BV für konkrete Einzelfälle nicht zuständig ist, können sich aus der Analyse der Fälle im Nachhinein sehr wohl Hinweise auf Verbesserungspotential im Gesamtsystem herauskristallisieren. Den konkret durch die Aufsichtsbehörde betroffenen Fall beeinflusst dies jedoch nicht.
“Freie PK-Wahl wäre zu teuer”
Hanspeter Konrad, Direktor des ASIP, hält nicht viel von der freien PK-Wahl, wie sie etwa Jérôme Cosandey von Avenir Suisse propagiert. In einem Kommentar in AWP Soziale Sicherheit schreibt er:
Bei einer freien Wahl der PK reduziert sich die Motivation des Arbeitgebers, mehr Beiträge an eine gesetzliche Altersvorsorge zu leisten als unbedingt notwendig wäre. Es ist zu befürchten, dass sich das Vorsorgesubstrat reduzieren, also in der Tendenz weniger für das Alter angespart würde. Kollektivität und Solidarität haben also durchaus Vorteile.
Ein Abbau dieser Elemente zugunsten von mehr Wahlfreiheit für den Einzelnen ist nicht gratis zu haben. Bei der Individualisierung nimmt der Beratungsaufwand für die Suche nach dem optimalen Vorsorgeträger zu, die Vermögensverwaltungskosten steigen und wegen der tieferen Risikofähigkeit des Einzelnen verglichen mit einem Kollektiv dürften die Anlagestrategien vorsichtiger und damit auch weniger ertragsorientiert werden.
Die freie Wahl der PK durch die Versicherten ist keine überzeugende, im Interesse der Versicherten liegende Lösung. Vielmehr sollte jetzt die Energie in politisch mehrheitsfähige Lösungen für eine BVG-Reform investiert werden. Der Schweizerische Pensionskassenverband ASIP hat aufgezeigt, wie das gelingen kann.
AWP / Artikel Cosandey / Kommentar
Daniel Dürr zur Tätigkeit des Sifo
AWP Soziale Sicherheit hat Daniel Dürr, Geschäftsführer des Sicherheitsfonds BVG, zu dessen Aufgaben und Vorgehen befragt.
Was sind die Hauptgründe für Insolvenzen?
Die häufigsten Gründe für Insolvenzleistungen lassen sich in drei Kategorien einteilen. Erstens können nicht bezahlte Beiträge der angeschlossenen Arbeitgeber zu Insolvenzen führen. Das ist o§ bei Insolvenzeingaben der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen sowie der Auffangeinrichtung BVG der Fall. Zweitens können auch Verluste auf Vermögensanlagen Insolvenzleistungen aus-lösen. In diesen beiden Kategorien kann die Insolvenz aber nur unter der Voraussetzung gemeldet werden, dass eine Sanierung nicht mehr möglich ist. Die dritte Kategorie betrifft die reinen Rentenkassen, bei denen der ehemalige Arbeitgeber nicht mehr besteht. Bei solchen Kassen kann bereits die Anpassung der technischen Grundlagen zur Unterdeckung und dann zur Insolvenz führen
Hat sich das Insolvenzrisiko durch die Corona-Krise bei autonomen Kassen ohne Rückversicherung erhöht?
Das lässt sich so nicht beantworten. Sowohl bei Unterdeckung als auch bei ausstehenden Beiträgen müssen in erster Linie Sanierungsmassnahmen eingeführt werden. Erst wenn die Vorsorgeeinrichtung zahlungs- und sanierungsunfähig ist, kann sie Insolvenzleistungen des Sicherheitsfonds BVG beanspruchen. Ein Beispiel: Infolge der Finanzkrise Ende 2008 sind zwar viele Kassen in Unterdeckung gerutscht. Die meisten von ihnen konnten aber in den Folgejahren die volle Deckung wieder erreichen.
Die aktuelle Ausgabe von AWP Soziale Sicherheit ist kostenlos zugänglich. Benutzername: EPaper2020, Kennwort: Epaper.
Alterung und Wirtschaftswachstum
pw. An der AWP-Tagung referierte Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik des Seco, über die absehbare Alterung der schweizerischen Bevölkerung und die Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum. Mit einigen wenigen Folien illustrierte er die schon fast dramatisch zu nennenden, strukturellen Verschiebungen im Altersaufbau.
Während Mitte der 20er Jahre, als der Artikel BV 34 quater beschlossen wurde, noch neun Erwerbstätige auf einen Rentner entfielen, waren es 1984 noch vier und bis 2046 werden es noch zwei sein, falls das Rentenalter nicht erhöht wird. Die unterschiedlichen Referenzszenarien zur Bevölkerungsentwicklung haben dabei nur minimale Konsequenzen.
Da es sich um ein globales Phänomen handelt, kann nicht auf verstärkte Zuwanderung gesetzt werden. Die Grafik gibt mit den blauen Balken den aktuellen Altersquotienten wieder, darin die weisse Raute den Stand 1975, darüber die schwarze für 2050. Zwar sind die Aussichten nicht für alle Länder gleichermassen schwierig, aber keines wird von der Entwicklung verschont. Die Mehrheit der Industrieländer wird dann ein Verhältnis von unter 2:1 aufweisen.
Scheidegger analysierte die Folgen für die Güter- und Dienstleistungsmärkte, den Arbeits- und Kapitalmarkt und die Politik. Beim letzten Punkt ist bemerkenswert, dass das Alter des Medianwählers, heute schon bei 56, bis 2030 auf 63 ansteigen wird.
Was sind die Möglichkeiten, um den Wohlstand zu wahren? Mehr oder effektiver arbeiten. Der “Braindrain” durch die bevorstehende Pensionierungswelle ab Mitte der 20er Jahre kann durch das nicht ausgeschöpfte Potential bei der Erwerbsbevölkerung teilweise kompensiert werden. Aber, wie Scheidegger feststellte, legt die jüngere Generation wachsenden Wert auf eine Work/Life-Balance, mit mehr Gewicht auf der Life-Seite.
Als Ansatzpunkte für eine Abfederung der Alterung führte er auf: Öffnung des Marktzugangs, investitionsfreundlichere Rahmenbedingungen, mehr Wettbewerb im Binnenmarkt, administrative Entlastungen und Offenheit für Innovation. Mit Festhalten am Status Quo ist es wohl nicht getan, im Gegenteil.
SR-Deal an der AWP-Tagung: unschön, aber …
pw. Die 45. AWP-Tagung in Bern wurde traditionell mit einer Politiker-Runde abgeschlossen. Unter der ausgezeichneten Moderation von Eveline Kobler (links im Bild), Leiterin der Wirtschaftsredaktion von Radio SRF, diskutierten Silvia Schenker (SP), Josef Dittli (FDP) und Ständerat Alex Kuprecht (SVP).
Das Gespräch drehte sich um den SR-Deal und die Verknüpfung der Steuervorlage SV17 mit der “Gegenfinanzierung” durch die Zuführung von zusätzlichen Mitteln an die AHV in exakt der Höhe jenes Betrags, der bei der Firmensteuer durch die Vorlage weniger anfällt.
Alle drei Politiker bezeichneten den Deal als “unschön”, Schenker und Dittli wollen ihn trotzdem akzeptieren. Dittli wegen der Steuer, Schenker wegen der AHV. Kuprecht gehört zu den wenigen Aufrechten, die ihn rundweg ablehnen. Dazu gab es einige bemerkenswerte Aussagen zu notieren.
Für Silvia Schenker ist die SV17 schwer erträglich und sie weiss auch nicht, wie sie die Vorlage vertreten soll, gab aber gleichzeitig auch zu Protokoll, dass sie von der Materie wenig verstehe und nicht im Detail informiert sei, sie sei ja auch nicht in der WAK. An der Formulierung zur AHV-Gegenfinanzierung will sie gleichzeitig gar keine Änderung hinnehmen, die sei gut. Sie liess die Tagungsteilnehmer aber auch wissen, dass sie nächstes Jahr 65 werde, als Experiment in ihrer Firma den Antrag stellen werde, länger arbeiten zu können (dürfen?), durchaus aber nicht sicher sei, dass dem auch zugestimmt werde. Aber ein höheres Referenzalter als 64 für Frauen will sie nicht akzeptieren.
Dittli will die SV17 durchbringen, die Vorlage ist essentiell und es hängen tausende von Stellen an ihrer Realisierung, gleichzeitig sei die AHV-Finanzierung nicht so übel. Damit sei schon ein Teil der AHV-Reform erledigt und die Mittel brauche die AHV sowieso. An der Erhöhung des Frauenrentenalters will er festhalten.
Wenig kompromissbereit gab sich Kuprecht. Die Vermischung von Geschäften sei eine Fehlentwicklung, die auch bei anderen Vorlagen zunehmend zu beobachten sei, zuletzt auch bei der EL-Revision mit dem BVG und der Weiterversicherung nach Entlassung. Mit der AHV-Finanzierung bestehe kein Verhandlungsspielraum mehr, es sei schon alles vergeben. Das Gutachten des Justizdepartements zur Einheit der Materie ist ein reines Gefälligkeitsgutachten. Für den Bundesrat bleibe nichts mehr übrig für die AHV-Reform. Als Frischpensionierter (seit 1. Mai) will er sich aber von keiner Seite einspannen lassen. Er schaue von der Tribüne aus zu.
“Knochenarbeit”
Susanne Kapfinger von AWP Soziale Sicherheit hat mit Thomas Schönbächler, Direktor der BVK, ein Interview zu den kürzlich der Kasse zugesprochenen Retrozessionen in Höhe von 20 Mio. Franken geführt. Auszüge:
Herr Schönbächler, sind noch weitere Gerichtsverfahren hängig, bei denen es um die Rückforderung von Retrozessionen geht?
Die BVK hat bereits im Jahre 2010/11 die Offenlegung sämtlicher Retrozessionen verlangt. Eine Rückforderung ist zu Gunsten unserer Versicherten und deshalb erachten wir es als unsere Pflicht. Wir fordern in der Folge konsequent und 10 Jahre rückwirkend sämtliche Ansprüche zurück. Der Weg vor Gericht ist dabei der letzte Schritt, den wir eingehen, wenn er nötig ist.
Wie aufwändig war das kürzlich abgeschlossene Verfahren?
Die Forderung der Offenlegung ist an sich nicht schwierig. Sie muss aber konsequent und kompromisslos abgearbeitet werden, das ist Knochenarbeit. Die in diesem Zusammenhang wichtigen Verjährungsunterbrechungen können mittels Einredeverzicht oder bei Weigerung auf dem klassischen Betreibungsweg eingeholt werden. Auch das ist Fleissarbeit, die meist ohne juristische Unterstützung abgewickelt werden kann. Je nach Koope-rationsbereitschaft der Gegenpartei oder spätestens wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, muss ein spezialisierter Anwalt beigezogen werden, wobei nur schon dank des gesetzlichen Verzugszinses von 5% alle Anwaltskosten bei weitem gedeckt sein dürften.
“Verantwortung geht ans Parlament”
Josef Bachmann, ehemaliger Geschäftsführer der PwC Pensionskasse, schreibt in einem Editorial der AWP Soziale Sicherheit zur Frage flexibler Renten und dem Entscheid des Bundesgerichts, mit welchem die Anwendung des Systems auf laufende Renten untersagt wurde.
Vor dem höchsten Gericht ist eine Würdigung des neuen Systems, das sich an den Grundsätzen der 2. Säule orientiert, ausgeblieben. Wiederum haben sich die Richter, mangels anderer gesetzlicher Grundlagen, nur auf BVG Artikel 65d (Massnahmen bei Unterdeckung) abgestützt. Schade, dass sich das Gericht nicht über das Unrecht der Umverteilung und der Ungleichbehandlung der Versicherten geäussert hat. Schade auch, dass die Leistungserhöhungen nun nicht gewährt werden können.
Aber der Entscheid der Richter bedeutet nicht das Ende der Bemühungen für eine nachhaltig und faire Reform der 2. Säule. Das Urteil ist ein Auftrag an das Parlament. Der Gesetzgeber hat die Chance und die Pflicht, die Lage aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen neu zu beurteilen.
Ein Rentensystem mit unplanbaren, variablen Zuflüssen kann keinen fixen Abfluss haben. Das funktioniert nicht und alle wissen es. Deshalb hatten früher viele Vorsorgeeinrichtungen Sicherheitsventile in Form von Sanierungsklauseln in ihren Reglementen. Damit waren Leistungskürzungen bei schlechten finanziellen Rahmenbedingungen möglich. Das hat die Sicherheit des Vorsorgewerkes und die Fairness unter allen Versicherten gewährleistet.
Das Verbot von Rentenkürzungen im Überobligatorium war ein fahrlässiger Eingriff in die 2. Säule, genauso wie die Festlegung des Umwandlungssatzes durch das Volk nach dem Prinzip «wollt ihr lieber mehr oder weniger Rente». Wir müssen zurück zum Fundament der 2. Säule, zu den Prinzipien der transparenten Finanzierung im Kapitaldeckungsverfahren.
“PKs mischen den Hypomarkt auf”
In einem Interview mit den AWP-Nachrichten erläutert Markus Gygax, CEO der Valiant-Bank, seine Sicht des Hypotheken-Marktes.
Der Hypothekarmarkt ist eine Branche mit scharfer Konkurrenz.
Ja, die Konkurrenz intensiviert sich stetig. In den letzten zwei bis drei Jahren sind auch die Versicherer im Hypothekengeschäft sehr aktiv geworden und soeben hat etwa die Pensionskasse der Post angekündigt, dass sie Hypotheken anbieten möchte. Der Preiskampf wird noch härter und der Druck auf die Margen nimmt weiter zu. Ich glaube nicht, dass die Zinsen bald wieder steigen werden.
Sie wachsen im Hypothekarmarkt langsamer als viele Ihrer Konkurrenten. Ist das eine bewusste Strategie?
Für uns ist der Ertrag wichtiger als Volumen. Das haben wir in den letzten Jahren mit der Steigerung unserer Zinsmarge bewiesen. Im Übrigen glaube ich nicht, dass es der richtige Zeitpunkt für ein aggressives Auftreten am Hypothekarmarkt ist. Unseres Erachtens deuten die Indikatoren darauf hin, dass der Hypothekarmarkt eher am Zenit ist: Es gibt zu viele leere Büros und Geschäftsflächen, Miet- und Renditeliegenschaften sind eher überteuert und die Einwanderung stagniert oder geht zurück.
Wie will Valiant dem anhaltenden Margendruck im Zinsengeschäft begegnen?
Wir haben zwei Ansatzpunkte. Zum einen haben wir angekündigt, im zweiten Halbjahr eine hypothekenbesicherte Obligation herauszugeben. Die Refinanzierung auf dem Kapitalmarkt mit einem solchen «Covered Bond» ist unter den gegenwärtigen Umständen klüger als über Kundengelder. Und zum anderen suchen wir aktiv zu Negativzinsen angelegte Gelder, um unsere Refinanzierung zu verbilligen. Diesen Markt gibt es und er ist auch ziemlich gross. Je länger die Negativzinsphase an-hält – und ich gehe davon aus, dass das noch länger sein wird – desto wichtiger werden diese Instrumente.
Werden Sie die Zinsmarge verteidigen können?
Wir verteidigen sie, können sie aber wahrscheinlich nicht ganz halten. Im Aktivgeschäft kommen die Erträge weiterhin zu-rück, da die neuen Hypotheken weiterhin tiefer verzinst werden als die auslaufenden alten Hypotheken. Auf der Passivseite sind wir bei der Verzinsung der Spargelder dagegen bei null angelangt. Das drückt gezwungenermassen auf die Marge.
Thomas Pohl