
Alt-Ständerätin Christine Egerszegi (FDP) und Alt-Nationalrat Rudolf Rechsteiner (SP). (Foto: Marcel Giebisch/BSV)
Die Zeitschrift CHSS des BSV hat Christine Egerszegi und Rudolf Rechsteiner aus Anlass des 40-jährigen Jubiläums des BVG zu einem Gespräch eingeladen. Wo es kritisch wurde, waren sie sich einig. Etwa bei der Legal Quote oder bei der gesetzlichen Verankerung des Mindest-Umwandlungssatzes. Auszüge aus dem Gespräch:
Reden wir über diese Überschüsse: Mit der sogenannten Legal Quote regelte das Parlament damals, in welchem Umfang die Vorsorgeeinrichtungen Überschüsse behalten dürfen. Im Nachhinein waren Sie dann trotzdem nicht zufrieden. Haben Sie nicht sauber gearbeitet?
Egerszegi: Wir wurden über den Tisch gezogen. Ich kann das nicht anders sagen. Wir waren uns einig: Die BVG-Revision kam mit insgesamt 29 Gegenstimmen durch beide Kammern. Wir haben gesetzlich geregelt, dass die Versicherer 10 Prozent der Überschüsse behalten dürfen. Das ist die Legal Quote.
Rechsteiner: Also maximal 10 Prozent des Gewinns. Bundesrat Hans-Rudolf Merz hat das dann in der Verordnung in maximal 10 Prozent des Umsatzes uminterpretiert.
Egerszegi: Es war für alle völlig klar, dass damit der Nettoertrag und nicht der Bruttoertrag gemeint ist. Es gibt keine Branche, in der man von vornherein, also ungeachtet der Höhe der Verwaltungskosten, einfach 10 Prozent einstecken kann.
Dennoch ist dies seither nicht geändert worden.
Rechsteiner: Letztlich sassen wir am kürzeren Hebel. Für mich ist das aber nach wie vor ein Verstoss gegen den Willen des Gesetzgebers. Im Gesetz steht 10 Prozent des Überschusses. Punkt.
Mit der Revision von 2005 wurde der Umwandlungssatz von 6,8 Prozent im Gesetz festgeschrieben, zuvor war er in einer Verordnung geregelt. Seither sind alle Versuche, den Umwandlungssatz anzupassen, gescheitert. War diese Verankerung im Gesetz ein Fehler?
Egerszegi: Nein. Der Druck der Versicherungsbranche war gross, den Umwandlungssatz rasch und deutlich zu senken. Den spürten die Mitglieder der Kommission, aber auch das Bundesamt für Privatversicherungen, das dieses Gesetz ausarbeitete. Deshalb bauten wir eine Sicherung gegenüber den Versicherten ein: Wenn man den Umwandlungssatz ändern will, muss man die Stimmbevölkerung überzeugen.
In den vergangenen 40 Jahren ist das verwaltete Kapital in der zweiten Säule gigantisch gewachsen – und ist inzwischen deutlich höher als das BIP. Was sagen Sie als Ökonom dazu, Herr Rechsteiner?
Rechsteiner: Die zweite Säule ist im Verhältnis zur ersten Säule derzeit zu gross. Das Deckungskapital kann in der Schweiz selbst gar nicht angelegt werden. Dass ein Grossteil im Ausland angelegt werden muss, um von Dritten verzinst zu werden, ist nicht nachhaltig. Zudem begibt man sich in die Abhängigkeit der Kapitalmärkte und der Politik von einem Mann wie Trump.
Sie möchten die erste Säule ausbauen?
Rechsteiner: Ich bin kein Gegner der zweiten Säule, aber das Verhältnis stimmt für mich derzeit nicht mehr.
Egerszegi: Ich gebe dir recht: Mehr als 1 Billion Franken kann man nicht sicher im Inland anlegen. Für mich muss der Fokus auf der Sozialversicherung – also dem Obligatorium – liegen.
(pw) Um es nicht bei dem ironisch angehauchten Titel zu belassen, sollen die geäusserten Meinungen der beiden mit ein paar kritischen Anmerkungen ergänzt werden. Die Verankerung des Mindest-UWS im Gesetz war eine Fehlleistung des Parlaments sondergleichen. Eine versicherungstechnische und dazu sich stark verändernde Grösse hat dort nichts zu suchen. Der Entscheid ist nicht nur absurd, sondern hat der berufl. Vorsorge enormen Schaden zugefügt und bis jetzt jede Modernisierung des Gesetzes verhindert. Die Vorstellung, mit einem UWS, der über das versicherungstechnisch bedingte Mass hinausgeht, könnten höhere Leistungen erzwungen werden – ob bei Versicherungen oder anderswo, ist bestenfalls realitätsfremd, eher aber eine gezielte Irreführung.
Dass das Parlament «über den Tisch gezogen worden sei», ist nicht ernst zu nehmen. Wenn die Legal Quote in der Vollversicherung tatsächlich viel zu grösszügig ausgefallen wäre, müssten sie weit mehr Versicherer anbieten. Dass das nicht der Fall ist, widerlegt alleine schon die Vorwürfe.
Die lebhafte Abneigung beider Gesprächsteilnehmer gegen die Versicherungsbranche, welche von den Gewerkschaften eifrig gepflegt wird, verhindert den Blick auf die Realitäten. Das Feindbild ist zum festen Bestandteil linker Vorsorgepolitik geworden. Aber von Egerszegi ist diesbezüglich kein Einwand zu erwarten.
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