Am gleichen Tag, als die Stimmbürger die Einführung einer 13. AHV-Rente beschlossen, lehnten sie ein System à la Niederlande – mit Referenzalter 66 und Koppelung an die Lebenserwartung – wuchtig ab. Nur gerade 25 Prozent der Bürger wollten den Wechsel.
Warum also geht in den Niederlanden fast problemlos, was andernorts für helle Aufregung sorgt? Die Erklärung liegt in einer Mischung aus wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren.
Die Pensionsjahre lassen sich naturgemäss besser geniessen, wenn sie finanziell genügend abgesichert sind. In dieser Hinsicht punkten die Niederlande. Sie verfügen über eines der am besten ausgebauten Rentensysteme – gemäss einer Auswertung der Beratungsgesellschaft Mercer gar über das weltweit vorteilhafteste. Pensionäre erhalten ein Einkommen, das fast mit ihrem letzten Einkommen mithalten kann. Zusätzliche Ersparnisse sind oft nicht zwingend.
Das hohe Rentenniveau ist auf ein System zurückzuführen, das Schweizerinnen und Schweizern bestens bekannt ist: ein Drei-Säulen-Modell, bestehend aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der beruflichen Vorsorge und der privaten Vorsorge.
Die erste Säule deckt etwas mehr als die Hälfte aller Pensionsleistungen ab, die zweite immer noch rund 40 Prozent. Gemäss Daten der OECD sind die Pensionskassen im Verhältnis zur Wohnbevölkerung in keinem EU-Staat auch nur annähernd so gut dotiert wie in den Niederlanden. Selbst die auf Absicherung bedachte Schweiz liegt zurück. (…)
Die europäischen Rentensysteme sind zwar nicht miteinander verflochten, indirekte Verbindungen gibt es aber durchaus. Denn wenn ein Land, wie Frankreich, auch wegen exorbitanter Sozialleistungen in finanzielle Schieflage gerät, kontaminiert dies die mit ihr eng verknüpften Wirtschaftspartner – erst recht, falls der französische Haushalt mit EU-Geldern stabilisiert werden müsste. Zudem steigt der Druck, die Pensionssysteme zwischen den Mitgliedstaaten stärker zu harmonisieren. (…)
2022 haben die EU-Staaten das Pan-European Personal Pension Product (PEPP), auch «Europarente» genannt, eingeführt. Ziel ist, dass europäische Bürger über ein preiswertes, steuerlich begünstigtes und grenzüberschreitend nutzbares Finanzprodukt fürs Alter sparen können. Es ist dies ein erster Schritt zur Kapitalmarktunion, die politisch seit Jahren blockiert ist.
Das paneuropäische Vorsorgekonto sollte besonders für Arbeitnehmer, die in ihrem Erwerbsleben in verschieden (EU-)Staaten tätig sind, attraktiv sein. «Es wäre eigentlich ein sinnvoller Weg – aber er funktioniert leider überhaupt nicht», sagt van Meerten.
In der Tat ist die Realität, sieben Jahre nach dem Vorschlag der Kommission, überaus ernüchternd: Ein einziger Anbieter, ein tschechischer Fintech-Broker, bietet bislang eine solche Anlagelösung an. Das Hauptproblem ist, dass das Geschäft wegen des strikten Gebührendeckels für Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter zu wenig lukrativ ist.
Zudem kennen viele Sparer das Produkt schlicht nicht – und diejenigen, die schon einmal davon gehört haben, sehen im PEPP gegenüber den etablierten, nationalen Vorsorgelösungen kaum Vorteile. Für die Niederlande mit ihrem ausgebauten Drei-Säulen-System gilt dies in besonderen Ausmass.
NZZ