Die Handelszeitung fasst die wichtigsten Etappen seines Lebens zusammen: Er kam in der Uhrmacherstadt La Chaux-de-Fonds zur Welt. Er studierte Maschinenbau, er lernte bei Boston Consulting, Firmen umzubauen, er verwaltete Vermögen bei der UBS, er studierte nochmals, diesmal Wirtschaftsgeschichte, und er lebt heute in Biel. Das ist Jérôme Cosandey, der künftige Chef der Direktion für Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Seco-Direktorin Helene Budliger Artieda hat den 55-Jährigen am Mittwoch zum Nachfolger von Boris Zürcher ernannt.
Die Wahl passt einem anderen Romand nicht: Pierre-Yves Maillard. Der SGB überschreibt die Mitteilung zu Cosandeys-Wahl so: Guy Parmelin wählt radikalen Arbeitsdirektor und führt aus:
Cosandey war Mitglied der Geschäftsleitung von Avenir Suisse, als diese Organisation marktradikale, ideologische Positionen vertrat: Abschaffung des Lohnschutzes, Verlängerung der Arbeitszeit und Abbau von Mindestregeln bei den Arbeitsbedingungen. Dass diese Agenda nun mit dieser Fehlbesetzung in der Direktion für Arbeit Einzug erhält, ist eine Gefahr für die arbeitenden Menschen im Land.
Cosandey hat weder Erfahrung in Arbeitsmarktpolitik, noch in Sozialpartnerschaft, noch in der Arbeitsvermittlung oder in den Arbeitslosenkassen. Er hatte nie Verantwortung für grosse IT-Projekte, wie er sie im Seco verantworten muss. Noch hat er Führungserfahrung mit grossen Teams, tripartiten Strukturen mit Sozialpartnern und Kantonen oder der Verwaltung.
Andreas Valda kritisiert in der Handelszeitung die Kritik des SGB:
Der Gewerkschafter übertreibt masslos. Cosandeys Schuld sei, so Maillard, bei Avenir Suisse gearbeitet zu haben, einer geachteten, wirtschaftsliberalen Denkfabrik. Avenir Suisse habe 2017 zum Abbau der flankierenden Massnahmen aufgerufen. Dies sei mit der hiesigen Auffassung von Lohnschutz nicht vereinbar. Einer, der an solch «marktradikalen» Positionen arbeite, sei als Chefbeamter nicht wählbar.
Was stand denn so Radikales in dieser Studie? Nichts. Avenir Suisse benannte darin bloss drei Nebenwirkungen der flankierenden Massnahmen (Flam): den erschwerten Berufseinstieg für junge Leute, die fehlende Durchlässigkeit im Arbeitsmarkt für Quereinsteiger und die Abschottung vor ausländischer Konkurrenz. Dies als Folge der Massnahmen bei Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU.
Vereinfacht gesagt: Die Schweizer Lohnregulierung für orts- und branchenübliche Löhne führt dazu, dass tiefqualifizierte Arbeit verteuert, Arbeitsplätze verdrängt und der inländische Nachwuchs von Fachkräften gehemmt werden. Befunde, die kaum bestritten sind.
Dass die Seco-Chefin Cosandey ernannt hat, ist nicht überraschend. Budliger, eine zupackende Beamtin ohne Scheuklappen, hat einen ebenso zupackenden, um Antworten nicht verlegenen Wissenschafter zu ihrem engsten Mitarbeiter in Arbeitsmarktfragen gemacht. Sie ist eine Problemlöserin, und Cosandey könnte in dieselbe Rolle hineinwachsen. Ihre Wahl erscheint nur logisch.
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