Chefredaktor Eric Gujer kommentiert die europäische Befindlichkeit nach der Amtsübernahme von Donald Trump in den USA.
Trump wird die ohnehin starke Position der USA weiter verbessern, indem er Vorschriften streicht und den technologischen Vorsprung ausbaut. Schon jetzt profitiert das Land von billiger Energie, einem schlanken Staat und weniger Regulierung als in der EU.
Der Präsident setzt auf maximale Konkurrenz und teilt die Welt in Gewinner und Verlierer ein. Sich selbst sieht er auf der ewigen Gewinnerseite. Trump zelebriert seine Erfolge mit einer Mischung aus kindlicher Freude und düsteren Drohungen und deutet alle Niederlagen in gestohlene Siege um.
Europa hat hingegen den Wettbewerb verlernt. Dass manche triumphieren und andere scheitern, gilt als Sozialdarwinismus. Das Mantra der sozialen Gerechtigkeit hat die einfache Wahrheit verdrängt, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Allein dies auszusprechen, ist obszön.
Es beginnt schon in der Schule. Noten und Wettbewerb sind verpönt. In der Schweiz gilt das Diktat zunehmend als altmodisch. Die Rechtschreibung darf phonetisch gelernt werden, um die Kinder nicht zu überfordern. Europa nivelliert nach unten, während die Talentierten und die kapitalhungrigen Startups nach Amerika abwandern.
Trumps Raubtierinstinkten steht die Milde der europäischen Sozialarbeiter gegenüber. Alles muss inklusiv und partizipativ sein, obwohl sehr vieles exklusiv ist – zum Beispiel die Demokratie, die Teilhabe an die Staatsbürgerschaft knüpft. Die Asylpolitik ist ein Fiasko, weil man lange nicht akzeptieren wollte, dass nicht alle nach Europa kommen können, ohne die Staaten zu überfordern. Inklusion gilt als human, Zurückweisungen und Abschiebungen als unmenschlich.