Bis Ende Januar will der Bundesrat einen Vorschlag präsentieren, der schon im Vorfeld eine heftige Kontroverse entfacht hat: die Abschaffung von Steuerprivilegien der zweiten und dritten Säule. Bürgerliche Parteien wollen das mit allen Mitteln bekämpfen.
Das setzt Finanzministerin Karin Keller-Sutter unter Druck: Sie wird wohl einen Vorschlag präsentieren müssen, den ihre eigene Partei, die FDP, an vorderster Front bekämpft.
Jetzt erhöhen neue Steuerdaten aus Bern, Zug und Genf den Druck auf die Finanzministerin, trotz des Protests ihrer Partei, die Steuerbegünstigungen tatsächlich einzuschränken. Die Daten zeigen erstmals überhaupt, in welchem Mass Gutverdienende von den Steuerprivilegien der zweiten Säule profitieren.
So funktioniert das Privileg: Man zahlt freiwillig Beträge in die Pensionskasse ein und kann sie vom steuerbaren Einkommen abziehen. Beim Bezug mit 65 zahlt man dann bloss eine Ministeuer. Unter dem Strich sparen die Reichsten so bis zu einer Million oder mehr Franken Steuern.
Ein besonders auffälliges, belegbares Beispiel zeigt, wie ein alleinstehender Grossverdiener seine Pensionskasse als Steuervermeidungsvehikel benutzte: 2022 hat die Person in Zug 7,5 Millionen Franken Alterskapital bezogen. Davon musste sie zusammengerechnet bloss rund 6,7 Prozent Gemeinde-, Kantons- und Bundessteuer zahlen, also eine halbe Million Franken.
Hätte sie das Geld regulär als Einkommen versteuern müssen, wären selbst im Steuerparadies Zug schätzungsweise 1,5 bis 2 Millionen Franken fällig geworden. In anderen Kantonen wären die Einkommenssteuern sogar noch deutlich höher gewesen. (…)
Wenig von Steuerrabatten haben hingegen Ehepaare mit mittleren und tiefen Einkommen. Von den 16’000 Berner Ehepaaren mit Einkommen zwischen 100’000 und 125’000 Franken zahlten bloss 8 Prozent einen steuerbefreiten Beitrag in die Pensionskasse – und dieser lag im Schnitt bei 24’000 Franken. Von den Berner Paaren mit noch tieferen Einkommen profitierten bloss noch 4 Prozent von Steuerprivilegien der zweiten Säule. (…)
Mindestens so beliebt wie in Bern sind die Steuerprivilegien für die Grossverdiener in Genf. Dort haben im Jahr 2022 35 Prozent der Ehepaare mit Millioneneinkommen ihre Pensionskasse im Schnitt um eine halbe Million Franken aufgestockt. Auch sie haben damit ihr steuerbares Einkommen um diesen Betrag reduziert. (…)
Das Pensionskassengesetz erlaubt über ein Berufsleben Einzahlungen in die Pensionskassen von bis zu 9 Millionen Franken. Das bestätigt das Bundesamt für Sozialversicherungen. Mit Zins und Zinseszinsen können Grossverdiener so ein Alterskapital von 10 bis 15 Millionen anhäufen, das sie erst beim Bezug zum Mini-Tarif versteuern müssen.
Pensionskassenguthaben in zweistelliger Millionenhöhe sind realistisch: «Ich hatte in meiner Karriere zwei Kunden mit einem Pensionskapital von über 10 Millionen Franken», sagt Markus Stoll, Steuerexperte bei der Finanzdienstleisterin VZ Vermögenszentrum. Eher treffe er aber auf Kunden, die in der Pensionskasse zwischen 5 und 7,5 Millionen Franken angespart haben.
SonntagsZeitung