Fabian Schäfer hat für die NZZ ein Interview mit FDP-Nationalrätin Regine Sauter zur BVG-Reform geführt. Im Lead heisst es dazu: Die FDP-Nationalrätin kritisiert die Kampagne der Gewerkschaften gegen die Pensionskassenreform. Fast noch mehr ärgert sie sich aber über Wirte, Bäcker und weitere Gegner aus der Wirtschaft: «Sie spielen direkt der Linken in die Hände.» Auszüge:
Der Ausbau im Tieflohnbereich ist teuer und stösst in der Wirtschaft auf prominenten Widerstand. Sie sind eine Frau der Wirtschaft. Weshalb unterstützen Sie das?
Also so prominent ist dieser Widerstand auch wieder nicht: Der überwiegende Teil der Wirtschaft, insbesondere auch der Gewerbeverband, steht klar hinter der Vorlage. Es sind vereinzelte Verbände aus dem Tieflohnbereich, die sich wehren, Gastronomen, Coiffeur- oder Bäckereibetriebe. Für sie führt die Reform zu Mehrkosten, das lässt sich nicht bestreiten, aber anders lässt sich eine bessere Altersvorsorge nicht erreichen.
Höhere Renten in der zweiten Säule fallen ja nicht vom Himmel, dafür müssen Angestellte und Arbeitgeber gemeinsam mehr einzahlen, um höhere Sparguthaben zu bilden. Man sollte das nicht als Mehrkosten betrachten, sondern als Investition in die Vorsorge der Mitarbeitenden und in die Attraktivität des Betriebs im Arbeitsmarkt.
In Branchen wie dem Detailhandel oder der Hotellerie hat man das erkannt, ihre Verbände unterstützen die Reform.
Wieso sollte eine Wirtin oder ein Bäcker diesem Kompromiss trotz Mehrkosten zustimmen?Weil auch diese Branchen eine tiefergehende Analyse vornehmen sollten, die über die unmittelbaren Folgen hinausgeht: Die gesellschaftliche Bedeutung einer guten Altersvorsorge, der die Menschen vertrauen können, kann gar nicht überschätzt werden. Sie bedeutet auch soziale Sicherheit. Ist sie infrage gestellt, hat dies Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort – und das bekommt früher oder später auch das Kleingewerbe zu spüren.
Diese Kreise sollten sich fragen, was ihr Widerstand bewirkt: Sie spielen direkt der Linken in die Hände, die die AHV zulasten der zweiten Säule massiv ausbauen will, und das wird am Ende für die ganze Wirtschaft teurer. Hier reden wir dann nicht mehr über zielgerichtete Verbesserungen, sondern über die Giesskanne und höhere Lohnprozente für alle. Daran können auch Bäcker oder Wirte kein Interesse haben.
Ein heftig umstrittenes Element der BVG-Reform sind die Rentenzuschläge für die ersten fünfzehn Jahrgänge: Viele Neurentner bekämen Zuschläge, obwohl ihre Rente nicht sinkt. Die Lösung ist so teuer, dass die Umverteilung, welche die Reform beheben will, vorübergehend sogar zunehmen könnte. Zu diesem Schluss kommt die Studie von Alliance F, die Sie erwähnt haben. Wie können Sie als Freisinnige eine solche Reform unterstützen?
Ich kann mich nur wiederholen: Wir leben in einer Demokratie. Entweder wollen wir eine Lösung und sind bereit Konzessionen zu machen, oder wir nehmen in Kauf, zu scheitern. Keinen Aspekt haben wir so lange und intensiv verhandelt wie die Übergangsregelung. Die Vorschläge des Bundesrats waren um ein Vielfaches teurer. Am Ende haben wir diesem Kompromiss zugestimmt. Ich verhehle nicht, dass wir über unseren Schatten springen mussten.
Nehmen Sie den bürgerlichen Gegnern übel, dass sie den Kompromiss bekämpfen?
Nein, ihr Einsatz ist legitim. Offenbar wollen diese Kreise keine Lösung für die zweite Säule, offenbar wollen sie auch ihre Mitarbeitenden nicht besser versichern. Ich nehme das zur Kenntnis.
NZZ
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