Interaktive Grafik mit Werten für die einzelnen Jahre auf der Website CHSS.
Die massiven demographischen Verschiebungen mit sinkenden Geburtenraten sind in letzter Zeit vermehrt in den Fokus des Interesses gerückt. Ein aufschlussreicher Beitrag der Zeitschrift CHSS zeigt, dass Frauen in der Schweiz durchschnittlich weniger Kinder haben, als sie sich wünschen. Die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist bei Gutausgebildeten besonders gross.
Eine Untersuchung von Eva Beaujouan und Caroline Berghammer (2019) zeigt: Mitte der 1990er-Jahre deklarierten 20- bis 24-jährige Frauen (Jahrgänge 1970 bis 1977), dass sie sich im Durchschnitt 2,25 Kinder wünschen (siehe Grafik 2). Betrachtet man 2013, also rund 20 Jahre später, die gleiche Kohorte der nun 40- bis 42-jährigen Frauen, brachten sie durchschnittlich jedoch nur 1,64 Kinder zur Welt.
Auch wenn aus demografischer Sicht noch neun fruchtbare Jahre bleiben, liegt die beobachtete Kinderzahl doch entscheidend unter der gewünschten Kinderzahl.
Diese Lücke zwischen tatsächlicher und gewünschter Kinderzahl (–0,61 Kinder) ist im europäischen Vergleich eine der grössten. Nur Italien (–0,66), Griechenland (–0,71) und Spanien (–0,75) verzeichnen eine noch grössere Diskrepanz.
Die kleinste Lücke weist Frankreich (–0,12) auf, mit einem Kinderwunsch von 2,14 Kindern je Frau, aber einer hohen realisierten Kinderzahl von durchschnittlich 2,02 Kindern je Frau. Grundsätzlich gilt jedoch europaweit: Frauen haben weniger Kinder, als sie sich wünschen.
Einige Frauen blieben dabei aufgrund eines zu langen Aufschubs sogar kinderlos: 19,4 Prozent der Frauen der genannten Kohorte in der Schweiz haben keine Kinder, obwohl knapp 20 Jahre zuvor nur 7 Prozent angaben, dass sie keine möchten. (…)
Ein Erklärungsansatz für die nicht erfüllten Intentionen ist die lange Ausbildungszeit und somit der späte Arbeitsmarkteintritt. Mit dem zweiten demografischen Übergang ab Mitte der 1960er-Jahre ging eine Veränderung der Werte und Lebensziele hin zu einem wachsenden Individualismus, neuen Familienformen und einer durch die Pille ermöglichten selbstbestimmten Empfängnisverhütung einher.
Das Durchschnittsalter der Frauen bei der Erstgeburt stieg seit 1970 kontinuierlich an, im Durchschnitt um 1,5 Monate pro Jahr. Lag es 1971 für verheiratete Frauen bei 25,3 Jahren (es liegen für diesen Zeitpunkt keine Auswertungen für Unverheiratete vor), belief es sich 2022 auf 31,2 Jahre für alle Frauen (BFS online).
Am ältesten sind tertiär gebildete Mütter. Klar scheint: Je später die erste Geburt erfolgt, desto weniger fruchtbare Jahre verbleiben für weitere Kinder. Und je länger gewartet wird, desto grösser ist das Risiko einer ungewollten Kinderlosigkeit.
Im Jahr 2018 war der Kinderwunsch weiterhin von der 2-Kind-Norm geprägt (BFS 2021): Rund 60 Prozent der kinderlosen Frauen und Männer zwischen 20 und 29 Jahren wünschten sich zwei Kinder, rund ein Viertel wünschte drei oder mehr Kinder, 9 Prozent wollten keine Kinder, und 4 Prozent wünschten sich ein Kind. Aggregiert streben die Befragten 2,1 Kinder an – was genau dem demografischen Wert entspricht, den es für den Ersatz der Elterngeneration braucht.