nzzHansueli Schöchli schreibt in der NZZ zu den Abstimmungsergebnissen:

Was will man lieber: mehr Geld oder mehr Arbeit? So präsentierten sich wohl für viele Stimmbürger die beiden AHV-Volksinitiativen für höhere Renten beziehungsweise für ein höheres Rentenalter. Das Volksverdikt vom Sonntag kann aus einer engen ökonomischen Sicht nicht überraschen: Ja zu höheren Renten, Nein zu einem höheren Rentenalter.

Die Bürger sind nicht dumm. Wer in den letzten Monaten nicht auf dem Mond lebte, weiss, dass die Gewerkschaftsinitiative für den AHV-Ausbau überhaupt keinen Wohlstand schafft, sondern diesen nur noch stärker umverteilt, als dies bisher der Fall war – von Jung zu Alt und von oben nach unten. (…)

Die letzte SRG-Trendumfrage vom Februar zeigte ein klares Bild: Die Älteren waren eher für die Rentenerhöhung als die Jüngeren, und die Geringverdiener waren eher dafür als die Grossverdiener. Das illustriert die zwei grossen Umverteilungskanäle in der AHV: Junge subventionieren Alte, und Reiche subventionieren Arme. Wegen der Kombination dieser Kanäle erhalten Volksinitiativen zum AHV-Ausbau traditionell deutlich mehr Zustimmung als jene 30 bis 35 Prozent, die aus dem klassischen linken Lager kommen.

Die Milchbüchleinrechnung für Initianten geht etwa so: Ungefähr ein Drittel linke Ja-Stimmen sind quasi «gesetzt», da die Linke in jeder Lebenslage für einen Ausbau der Umverteilungsmaschine AHV kämpft – somit braucht es für eine Mehrheit noch etwa 20 Prozent Ja-Stimmen von Älteren ausserhalb des linken Lagers. Aus dieser Gruppe musste somit diesen Sonntag, grob geschätzt, mindestens knapp die Hälfte mit ihrem Portemonnaie abstimmen, um eine Volksmehrheit für den Ausbau zu ermöglichen. Diese Mehrheit ist nun da. Eine wichtige Rolle dürfte die hohe Mobilisierung gespielt haben, die wohl vor allem Ältere umfasste.

Die Rechnung trifft zwar vorwiegend die Jüngeren, doch für viele Jungen ist die Altersvorsorge noch weit weg. Zudem ist die Finanzierung der Zusatzrenten noch unklar, und die Umverteilungsmechanismen des Sozialwerks sind kompliziert. Das führt zur gängigen Asymmetrie in der Altersvorsorge: starkes Interesse für den Ausbau bei den Älteren, eher verhaltener Widerstand bis Gleichgültigkeit bei manchen Jungen.

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